Obwohl es sich bei P4P um ein Instrument handelt, das mit monetären Anreizen arbeitet, wird ökonomischen Betrachtungen in
der Diskussion erstaunlich wenig Raum gegeben. Die Aufmerksamkeit ist meist auf die Messung der Qualität gerichtet, wenig
werden die Fragen thematisiert, wie die gemessene Qualität ökonomisch zu bewerten sei, welche Höhe die finanziellen
Anreize haben müssen, um optimal wirksam zu sein, und welche Grundannahmen eigentlich zu treffen sind, wenn man
finanzielle Anreize in einem Zusammenhang einsetzen möchte, der alles andere als übersichtlich ist. In den vorangegangenen
Kapiteln wurde daher, anschließend an die Darstellung der langfristigen Evaluationsergebnisse der großen P4P-Projekte,
ausführlich auf die organisatorischen (Expertenorganisation) und Systemeigenschaften (Komplexität) sowie die zur Verfügung
stehenden Konzepte der Verhaltensänderung eingegangen, wobei der Arbeitsbegriff der “komplexen professionellen
Systembürokratie” zugrundegelegt wurde. Zur Verhaltensänderung scheinen in der Konsequenz nur Ansätze sinnvoll zu sein,
die sämtliche in Kapitel 3.1. genannten vier Kontextfaktoren einbeziehen. P4P kann als Feedback-Verfahren nicht allein
Verhaltensveränderungen im Gesundheitswesen bewirken, sondern muss in Zusammenhang mit Veränderungen der sozialen
Rollen, mit organisatorischem Lernen und mit veränderten Kontextbedingungen gesehen werden. Ökonomische Fragen, so
wie eingangs erwähnt, bedürfen jedoch einer gesonderten Bewertung.
Diese Überlegungen gehen von der Definition von P4P aus (s. Kap. 1.2., s. Tableau 29), die beinhaltet, dass P4P analog zum
DRG-System, das ein epidemiologisches Instrument der Krankheitssystematik mit einem Vergütungssystem koppelt, ebenfalls
aus zwei Systemen zusammengesetzt ist, nämlich einerseits einem System
der Qualitätsmessung (Indikatoren einschl. Skalierung, Grenzwerten etc.)
und andererseits einem System der monetären Bewertung. Die Situation
gerät noch komplizierter, wenn man die Effizienz der Behandlung
zugrundelegt, also das Verhältnis von Qualität und Kosten, so wie es im
Value-Based Purchasing-System des CMS der Fall ist (Damberg et al. 2009).
Hier muss ein System der Effizienzmessung (Qualität plus Kosten) mit einem
System der finanziellen Bewertung von Effizienz in Bezug gesetzt werden.
Auf vier Punkte soll hier eingegangen werden, die von der Frage der monetären Bewertung (Kopplung) bis zu grundlegenden
ökononomischen Annahmen des Verhaltens der Akteure unter finanziellen Anreizbedingungen reichen:
● Kopplung der monetären Bewertung an die Qualitätsystematik
● Höhe der monetären Bewertung
● Informationsassymmetrie
● Ökonomische Grundannahmen.
► Monetäre Bewertung: Die Kopplung der Vergütungsbestandteile an die Qualitätsindikatoren muss praktikabel
(administrabel), nachvollziehbar (verständlich), justiziabel und von seinen Anreizwirkungen sinnvoll gestaltet werden. Unter
Praktikabilität ist hier nicht der Umgang mit den Qualitätsindikatoren (Messaufwand etc.) gemeint, sondern allein die finanzielle
Bewertung. Eine Vermischung mit einer Einzelleistungsvergütung sollte vermieden werden
(s.u.), daher empfiehlt es sich, kumulative Bewertungen über einen bestimmten Zeitraum
vorzunehmen. Um seine Anreizwirkung auf der Ebene der Leistungserbringer erzielen zu
können, muss die Kopplung an die Vergütung in einem kurzen zeitlichen Zeitraum
stattfinden, weil ein zeitnaher Feedback generell wirksamer ist und die Diskontierung der
zusätzlichen Vergütung nicht so attraktiv erscheint (Damberg et al. 2007, Torchiana et al.
2013). Die Kopplung muss weiterhin nachvollziehbar sein, weil sie sonst keine
Anreizwirkung erzielen kann, die handlungsleitend wäre (Ryan et al. 2011). Natürlich wird
es auch zu juristischen Auseinandersetzungen kommen, wie es in Deutschland schon bei
der Mindestmengen-Problematik geschehen ist, wo die Validität (also die Aussagekraft
dieses Indikators hinsichtlich der Qualität der Versorgung) angegriffen wurde (s.
Bundessozialgerichts-Urteil vom 18.12.2012 zur Frühgeborenenversorgung, vgl. Trefz
2013). Eine besondere Rolle spielen dabei, vor allem soweit Ergebnis-Indikatoren
verwendet werden, Mängel in der Risiko-Adjustierung und eine mangelnde Aussagekraft
der Indikatoren bei kleinen Einrichtungen, insbesondere bei Erkrankungen mit niedriger
Inzidenz.
Am wichtigsten ist jedoch die Frage, wie Indikator und finanzielle Bewertung in Bezug
gesetzt werden (monetäre Kopplung). Grundsätzlich sind drei verschiedene Verfahren
möglich und in den bisherigen Studien angewendet worden (s. Abb. 11): Relative Position in
einer Rankingtabelle (A in Abb. 11), relative Veränderung im Vergleich zur letzten Messung
(B) und absoluter Grenzwert (C) sowie Kombinationen dieser Verfahren (Cannon 2006).
Inhaltlich geht es darum zu vermeiden, dass sich die Verbesserung nur bei den
Einrichtungen manifestiert, die schon vorher zu den Besten gehörten, während die poor
performers nicht profitieren (Lindenauer et al. 2007). Diese Gefahr besteht vor allem bei der Verwendung von relativen
Positionen (”die besten 5”, verschärft durch Abschläge für die “schlechtesten 5”). Diese Gefahr wird auch nicht durch absolute
Grenzwerte ausgeglichen (C), denn falls diese so hoch liegen, dass sie von den schlechteren Einrichtungen nicht erreicht
werden können, unternehmen diese keine (frustranen) Anstrengungen. Es sind daher mehrere, gestaffelte Grenzwerte
sinnvoll, die “weit nach unten reichen”, so dass sie auch von den poor performers erreicht werden können. Für die Förderung
der poor performers kann man aber insbesondere nicht auf relative Verbesserungen (B) verzichten. Darüberhinaus spielt auch
die Sicherheit, mit der ein “Erfolg” vorherzusehen ist, eine Rolle: bei relativen Positionen mit Rankingtabelle ist die Situation für
den Leistungserbringer zunächst unklar, denn seine Position hängt von der Leistung der Wettbewerber ab, erst am Schluss
ergibt sich die eigene Position. Falls diese “Chance” als zu gering angesehen wird, wird - insbesondere bei starker Risiko-
Aversion - der Nutzen stark diskontiert (s.u.; Zusammenstellung s. Cannon 2006, zu den entsprechenden Befunden im HQIP-
Projekt s. Jha et al. 2012, Ryan et al. 2012B).
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass relative Anreize nach Position, alleine eingesetzt, schlecht geeignet sind.
Sie sollten mit der Belohnung relativer Positionsverbesserungen “auf den unteren Rängen” (B) und mit absoluten Anreizen in
Form gestaffelter Grenzwerte, die auch für die “Schlechteren” erreichbar sind, kombiniert werden (Werner 2011).
Weiter: 4. Ökonomie, 4.2. Höhe der Bewertung und Informationsasymmetrie
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4. Ökonomie
4.1. Einführung
© Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Venloer Str. 30, D-50672 Köln
Impressum und Datenschutz
Schrappe, M.: P4P: Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller
Rahmen und Handlungsempfehlungen, Version 1.2.1.
Abb. 11
Platz 1
100
99
98
97
96
51
50
49
34
33
32
31
30
Platz 2
Platz 3
Platz 4
Platz 5
Platz 49
Platz 50
Platz 51
Platz 66
Platz 67
Platz 68
Platz 69
Platz 70
A
B
C
Messwert Hitliste
M. Schrappe
P4P: Aktuelle Einschätzung,
konzeptioneller Rahmen und
Handlungsempfehlungen