Vor allem aber waren es die langfristigen Ergebnisse der beiden großen Studien, die in den USA (im Krankenhausbereich) und
in Großbritannien (im ambulanten Bereich) durchgeführt wurden, die die Grenzen eines isolierten und voraussetzungslosen
P4P-Einsatzes vor Augen führten, gleichzeitig aber wichtige Hinweise für die weitere Entwicklung und einen integrierten Einsatz
gaben. Auf diesen Erfahrungen basiert vor allem das Value-Based Purchasing Programm (VBP) von Medicare, an dem alle
Akutkrankenhäuser der USA teilnehmen (s. gesundheitspolitischer Hintergrund in den USA).
Das größte P4P-Projekt im Krankenhausbereich war das Premier Hospital Quality Incentive Demonstration Project (HQIP) von
Premier und den Centers of Medicare and Mediaids Services (CMS) (Grossbart 2006, Lindenauer et al. 2007; s. Tableau 9). Im
Zweijahreshorizont konnte hier bei 266 Krankenhäusern, die P4P kombiniert mit Public Reporting einsetzten, an Prozess-
Indikatoren zu fünf Krankheitsgruppen und an einem Composite-Indikator eine recht deutliche Verbesserung gegenüber einer
Kontrollgruppe, die lediglich Public Reporting allein einsetzte, beobachtet werden (Lindenauer et al. 2007). Allerdings gab es
bereits zu diesem Zeitpunkt bezüglich der Indikatoren zum Herzinfarkt eine
große unabhängige Studie, die eine positive Wirkung von P4P in Abrede
stellte (Glickman et al. 2007). In der Folge wurde die initial positive
Wertung von HQIP durch drei große Untersuchungen mit langfristiger
Perspektive relativiert:
► In einer ersten Untersuchung (Werner et al. 2011), die einen um zwei
Jahre längeren Zeitraum als die Studie von Lindenauer et al. umfasste,
war beim Composite-Indikator kein Vorteil der P4P-Häuser mehr
festzustellen, allerdings konnten die P4P-Häuser die Verbesserung zwei
Jahre schneller als die Kontrollen umsetzen (nach drei Jahren hatten 56%
der P4P-Häuser einen Score von 90% erreicht gegenüber 32% der
Kontrollen). Gerade bei P4P-Krankenhäusern, die hohe Zahlungen
erhalten hatten (da sie viele Medicare-Patienten behandelt haben), war der
Unterschied zu Kontrollhäusern, die bei Teilnahme an HQIP gleich hohe
Zahlungen erhalten hätten, besonders groß, ein indirekter Hinweis auf die
Bedeutung der Höhe des Anreizes. Außerdem waren die
Qualitätsverbesserungen in Märkten mit geringer ausgeprägter Konkurrenz
(regional wenige Häuser vorhanden, oder: Monopolstellung durch
Konzentration) deutlich höher als in Märkten mit ausgeprägter Konkurrenz,
da in den wettbewerbsintensiveren Märkten Qualitätsverbesserungen
bereits durch Public Reporting stattgefunden hatten. Auch waren die
Verbesserungen bei Krankenhäusern mit einer gesunden finanziellen
Grundausstattung stärker als bei finanziell schwach aufgestellten Häusern (Werner et al. 2011).
► Die Erkrankungs-bezogene Langfristauswertung des HQIP durch Ryan et al. (2012B) zeigte dann über einen 6 Jahres-
Zeitraum (2003-2009) keine Verbesserung der P4P-Häuser (P4P plus Public Reporting) gegenüber gematchten Kontrollhäusern
(Public Reporting allein); alle beobachteten Krankenhäuser wurden besser in ihren Qualitätsdaten, ohne dass sich die beiden
Gruppen jedoch unterschieden. Allerdings war bei den Interventionshäusern eine deutliche Abnahme der Varianz der
Ergebnisse zu beobachten. Anders als vermutet, verbesserten sich die anfangs schlechteren Häuser nicht stärker als die Top-
Häuser. Dies war auch zu beobachten, nachdem man 2006 begonnen hatte, neben der relativen Position der Häuser (an der
Spitze Zuschläge, am “schlechten Ende” Abschläge) zusätzlich auch das Überschreiten eines definierten Schwellenwertes
(Median der Performance in den Vorjahren aller Häuser) zu belohnen, damit auch die im Mittelfeld stehenden Krankenhäuser
einen Anreiz haben, sich zu verbessern (zur monetären Kopplung s. Kap. 4.1., Abb. 11).
► In der dritten Studie konnte ebenfalls keine Verbesserung festegestellt werden, und zwar im Vergleich zwischen den 252
HQIP-Krankenhäusern und 3363 Kontrollhäusern (Public Reporting allein) anhand der 30-Tage Mortalität, also eines wichtigen
Outcome-Parameters. Auch hier zeigte sich keine Veränderung bei den “poor performers” (Jha et al. 2012).
(Fortsetzung: 2.3. HQIP: Gesundheitspolitischer Kontext in den USA)
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Kapitel
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Kapitel
2. Langfristige Effekte und Weiterentwicklung
2.2. HQIP in den USA
© Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Venloer Str. 30, D-50672 Köln
Impressum und Datenschutz
Schrappe, M.: P4P: Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller
Rahmen und Handlungsempfehlungen, Version 1.2.1.
Tableau 9: Das Premier Hospital Quality
Incentive Demonstration Project (HQIP) wurde
seit 2003 von den Centers of Medicare and Medicaid
(CMS) und der Premier Healthcare Alliance, einer
Vereinigung von 2900 Krankenhäusern zum Zweck
der Qualitätsverbesserung (2013), betrieben
(Lindenauer et al. 2007). Die Teilnahme war
freiwillig. Alle teilnehmenden 266 Krankenhäuser
(63% der in Frage kommenden) hatten bereits an
einem Benchmarking Projekt von Premier
teilgenommen (Public Reporting). Bis zu 2% des
Budgets wurde nach den Ergebnissen von 34
Prozessindikatoren als Zu- (bestes Dezil) oder
Abschlag (schlechtestes Dezil) umverteilt (relativer
Anreiz). Ab dem vierten Jahr (2007) wurde auch das
Erreichen eines Performance-Medians finanziell
vergütet (absoluter Anreiz) (Werner et al. 2011). Die
Indikatoren gehörten zu klassischen Sets der
JCAHO, der AHRQ und des NQF, sie betrafen
ambulant erworbende Pneumonie, Herzinfarkt,
chronische Herzinsuffizienz, Bypass-OP und
Knie/Hüft-TEP. Insgesamt wurden in den ersten 5
Jahren 48 Mill. $ umverteilt. Das HQIP diente zur
Vorbereitung des Medicare Value-Based Purchasing
Program, das seit 2012 läuft.
M. Schrappe
P4P: Aktuelle Einschätzung,
konzeptioneller Rahmen und
Handlungsempfehlungen