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Bei jedem Vergütungs- und Anreizsystem muss mit unerwünschten Nebeneffekten gerechnet werden (Brown et al. 2014). Auch bei P4P sind zahlreiche solcher Wirkungen bereits früh beschrieben worden (SVR 2008, Nr. 741ff (s. Abb. 5), Roland 2004) und werden hier zunächst systematisch und synoptisch aufgeführt, um im späteren Verlauf in die Analyse und die Empfehlungen eingearbeitet werden zu können. Ganz entscheidend werden dabei die Frage der professionellen Motivation der Angehörigen der Gesundheitsberufe, die mögliche Verstärkung sozialer Ungleichheit, der Anreiz zur Risikoselektion und die Frage der Mengenausweitung sein, vor allem in Kombination mit anderen Vergütungssystemen. Zu beachten ist, dass sich für eine große Zahl von unerwünschten Effekten Studienergebnisse finden lassen, es aber einen gewissen Bias zugunsten ungünstiger Ergebnisse gibt, man muss die Ergebnisse daher wirklich in ihrem Kontext sehen. In Erweiterung der Darstellung des SVR (s. Abb. 5) kann man die Nebenefffekte folgendermaßen systematisieren: ● Zugang zur Versorgung einschl. Kontinuität und Risikoselektion ● Professionelle Faktoren ● Institutionelle Ebene ● Datenqualität ● Qualität der Versorgung im gleichen Sektor ● Qualität der Versorgung auf Systemebene ● Kosteneffektivität der Versorgung ► Der Zugang zur Versorgung mit P4P-bezogenen Leistungen (s. Tableau 15) kann im Einzelfall besser werden (Wodchis et al. 2007), vor allem soweit es sich, wie beim QOF-Programm, um eine versteckte Einzelleistungsvergütung handelt (s. auch dort). Im Allgemeinen wird aber eine Verschlechterung der Versorgung für sozial, ethnisch oder aus anderen Gründen benachteiligten Gruppen befürchtet (Rosenthal und Dudley 2007). Eine Benachteiligung ethnischer Gruppen konnte in den USA bislang nicht belegt werden (Blustein et al. 2011, Casalino und Elster 2007, Ryan 2010), wenngleich immer wieder betont wird, dass Aufmerksamkeit angebracht ist. Bezüglich allgemeiner sozialer Unterschiede ist die Tendenz noch kritischer (Alshamsan et al. 2010, Casalino und Elster 2007, Jha et al. 2010, Langdown und Peckham 2013, McLean et al. 2006, Millett et al. 2007). Ein exception reporting ist häufiger in Regionen mit niedrigem Einkommen (QOL-Programm in Großbritannien (Doran et al. 2006), in einem Systematischen Review konnte jedoch eine leichte Verbesserung dieser Differenz nachgewiesen werden (Gillam et al. 2012). Besondere Bedeutung kommt der Analyse von Ryan (2013) über das erste Jahr des VBP-Programms von Medicare zu, in der ein inverser Zusammenhang zwischen sozialer Ungleichheit und Zahlungen durch das VBP-Programm nahegelegt wird. Eine Studie berichtet über Nachteile von weiblichen Patientinnen (Millett et al. 2007).  Zur Zugangsproblematik gehört auch die Kontinuität der Versorgung (Roland 2004). Während sich allgemein die patient reported outcomes unter P4P verbessern, wird die Kontinuität in einigen Studien und Befragungen schlechter (Campbell et al. 2009, Gillem et al. 2012, Maisey et al. 2008). Patienten kommen “nicht zu ihrem Recht” (Chew-Graham et al. 2013), ob dies an arbeitsteiligeren Konzepten in der ärztlichen Versorgung, die Übernahme ärztlicher Tätigkeiten durch Pflegende oder anderen Ursachen liegt, ist noch nicht abschließend geklärt. Ein weiterer und im Kontext von P4P äußerst wichtiger Aspekt des Zugangs zur Versorgung ist eine mögliche Risikoselektion, weil auf diese Weise für bestimmte Patienten bzw. Patientengruppen die Versorgung erschwert sein kann (Brown et al. 2014, Casalino und Elster 2007. Shen 2003). In den USA wurde keine Risikoselektion beobachtet (Ryan und Blustein 2012C), allerdings wird als Reaktion auf den readmission- Indikator eine Ausdünnung der Notfallaufnahmen befürchtet (Ryan und Mushlin 2014B). Eine Risikoselektion gehört prinzipiell zu den unmittelbaren Wirkungen eines Finanzierungssystems, das entweder die umfassende Behandlung von Erkrankungsgruppen oder Populationen (z.B. Disease Management oder Managed Care) in den Mittelpunkt stellt (s. Kap. 5) oder auf den Behandlungserfolg (Ergebnisindikatoren) setzt; bei Verwendung von Prozessindkatoren ist sie weniger stark ausgeprägt (Mehta et al. 2008). Die Tendenz zur Risikoselektion stellt daher eines der entscheidenden Argumente bei der Auswahl der verwendeten Indikatoren und der Integration von P4P in bestehende Vergütungssysteme dar (s. auch Kap. 7). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Thema einer Verstärkung sozialer Benachteiligung durch P4P besonderer Beachtung bedarf, ebenso muss die Kontinuität der Versorgung und die Gefahr einer Risikoselektion mit daraus folgender Zugangsbeschränkung beachtet werden. Die Kontrolle aller drei Formen ist eine wichtige Aufgabe der politischen Instanzen bei Implementierung von P4P. Weiter: 2.6. Unerwünschte Nebeneffekte, 2.6.2. Professionelle und institutionelle Ebene, Datenqualität
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2. Langfristige Effekte und Weiterentwicklung 2.6. Synopse: Unerwünschte Nebeneffekte von P4P 2.6.1. Systematik, Zugang zur Versorgung
© Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Venloer Str. 30, D-50672 Köln Impressum und Datenschutz
Schrappe, M.: P4P: Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller Rahmen und Handlungsempfehlungen, Version 1.2.1.
Tableau 15: Mögliche Einschränkungen des Zugangs zur Versorgung unter P4P: ● Benachteiligung von Bevölkerungsgruppen Ethnische Gruppen Sozial benachteiligte Gruppen Exception Reporting Gender ● Kontinuität der Versorgung ● Risikoselektion
M. Schrappe P4P: Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller Rahmen und Handlungsempfehlungen