Qualitäts-bezogene Vergütung bzw. Pay for Performance (P4P) ist in die Jahre gekommen, einerseits, die Anfangseuphorie ist
einer differenzierteren und realistischeren Einschätzung gewichen. Andererseits setzen gerade jetzt große und unterschiedlich
strukturierte Gesundheitssysteme wie das der USA, Großbritanniens und
Deutschlands auf die Bindung der Vergütung an die erbrachte Qualität,
um die als einseitig empfundene Mengenkopplung der Vergütung zu
relativieren. So beabsichtigt der Koalitionsvertrag der Großen Koalition
vom 27.11.2013, Qualität über den Mehrerlösausgleich bei der Vergütung
zu berücksichtigen (s. Tableau 1). In den USA hat Medicare ein
umfassendes Value-based Purchasing Programm aufgelegt, das auf den
in den letzten 10 Jahren gesammelten Erfahrungen aufbaut (CMS 2011A,
Belmont et al. 2011, Ryan und Blustein 2012, Chien und Rosenthal 2013).
In Großbritannien setzt der National Health Service das 2004 in Kraft
getretene Quality and Outcome Framework mit jährlich neu justierten
Indikatoren fort (NHS 2013B).
Diese aktuelle Hinwendung zu P4P resultiert nicht aus den kurzfristigen
(z.B. Campbell et al. 2007, Lindenauer et al. 2007) und langfristigen
Ergebnissen der Evaluationsstudien (z.B. Campbell et al. 2009, Ryan et
al. 2012B), denn diese haben die anfänglich hochfliegenden Erwartungen,
zumindest auf den ersten Blick, nicht erfüllt. Der Grund für die gestiegene Bedeutung des Themas P4P im Gesundheitswesen
besteht vielmehr darin, dass sich der Blick auf P4P geändert hat: P4P wird nicht mehr als Magic Bullet betrachtet, das alle
Probleme um die Qualität der Gesundheitsversorgung schlagartig behebt (Sorbero et al. 2006), sondern als ein
Vergütungsinstrument unter vielen angesehen, das gut abgestimmt mit anderen Vergütungselementen und eingebettet in eine
langjährig entwickelte Qualitäts-orientierte Strategie zur Weiterentwicklung des Gesundheitswesens seine Wirksamkeit erzielen
kann. Diese Sichtweise erfordert für die Implementierung von P4P jedoch mehr als ein paar technische Details und eine
Verständigung über Indikator-Spezifikationen, so wie es in
Deutschland gerne gesehen wird. Für eine wirksame
Implementierung von P4P ist vielmehr ein konzeptioneller
Rahmen (conceptual framework) notwendig, der zum Beispiel
über die Wechselwirkung mit anderen Vergütungselementen
oder über die Integration in eine generelle Qualitäts-Strategie
Auskunft gibt. Ein solches Rahmenkonzept wird in diesem
Artikel entwickelt, um daraus in einem zweiten Schritt die
Bedingungen der Umsetzung und realistische Annahmen
über die Auswirkungen abzuleiten (s. Kapitel 3, insbes. 3.4.).
Die Ausgangssituation für die Einführung von P4P im
Gesundheitswesen bestand und besteht darin, dass sich die
Qualitätsprobleme in der Gesundheitsversorgung der
entwickelten Länder trotz mannigfaltiger Bemühungen zur
Qualitätsverbesserung und hoher finanzieller Aufwendungen
nicht beheben lassen. Auch die deutsche
Gesundheitsversorgung weist - entgegen aller Beteuerungen
- erhebliche Qualitätsmängel auf, sowohl hinsichtlich der
wichtigsten Kerndaten (z.B. OECD-Datensatz) als auch in
punkto Infection Control und Patientensicherheit (Behnke et al. 2013, Gastmeier und Geffers 2008, Ott et al. 2013, Schrappe et
al. 2008), hinsichtlich der Varianz der Ergebnisse im regionalen Vergleich (Aqua-Institut 2013) oder der prozessualen
Parameter wie z.B. Koordination der Behandlung (Schoen et al. 2005, zuletzt
Schoen et al. 2011). Es lag also nahe, auch wettbewerbliche Elemente auf ihre
Fähigkeit hin zu untersuchen (s. Abb. 1, s. “Qualitätswettbewerb” Kap. 4.3.), ob
sie diesem Defizit abhelfen können; der Sachverständigenrat (s. Tableau 2)
hatte dies bereits im Jahr 1997 gefordert (SVR 1997, Kurzfassung, Nr. 137).
Einerseits versuchte man, die Transparenz der Qualitätsinformationen zu
verbessern (Qualitätsberichte, Public Reporting/Public Disclosure), um
Patienten und Zuweisern eine informierte Wahl zu ermöglichen, u.U. unterstützt
durch finanzielle Anreize für das reine Berichten der Qualitätsdaten (Pay for
Reporting). Andererseits wurden direkte finanzielle (positive und negative)
Anreize im Sinne einer Qualitäts-bezogenen Vergütung bzw. Pay for
Performance (P4P) diskutiert, die dann in den USA bis zu einem Effizienz-basierten Vergütungssystem fortentwickelt wurden,
bei dem die Qualitätsparameter in Beziehung zu den Kosten adressiert werden (Value-Based Purchasing, s. IOM 2001, S.
181ff). Die Nicht-Finanzierung von Patientensicherheits-relevanten “Never Events” (z.B. bestimmte nosokomiale Infektionen)
sind als Sonderfall von P4P anzusehen (sog. Non-Payment for Non-Performance”, s. z.B. Pronovost et al. 2008).
(weiter: 1. Einleitung, 1.2. Begriffsbestimmung und Definition)
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Kapitel
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Textfassung
1. Einleitung
1.1. Pay for Performance - Aktualität des Themas
© Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Venloer Str. 30, D-50672 Köln
Impressum und Datenschutz
Schrappe, M.: P4P: Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller
Rahmen und Handlungsempfehlungen, Version 1.2.1.
Abb. 1: Qualitätswettbewerb: Transparenz und Kopplung an
Vergütungsbestandteile als Voraussetzung für eine Verbesserung
von Qualität und Sicherheit - so die Erwartungen
M. Schrappe
P4P: Aktuelle Einschätzung,
konzeptioneller Rahmen und
Handlungsempfehlungen