In diesem Zusammenhang soll kurz auf den Begriff P4P eingegangen werden. Die Definition des Sachverständigenrates von
2008 (SVR 2008, Nr. 732) als “Vergütungssystem, das die Qualität der Leistungserbringer in den Mittelpunkt stellt” (vgl.
Kasten) kann als Ausgangspunkt dienen, man muss aber in mindestens zweierlei Richtungen über Weiterungen nachdenken
und in einem dritte Sinne eine Abgrenzung vornehmen:
► Vor allem in den USA hat man von Beginn an Definitionen verwendet, die sich nicht nur auf die gesonderte Vergütung von
Qualität beziehen, sondern die Effizienz (das Verhältnis von Qualität und den
angefallenen Kosten, value) in den Mittelpunkt stellen (Dudley und
Rosenthal 2006, Tompkins et al. 2009, aber auch schon Wenzel 1992), der
auch in die Bezeichnung für das umfassende P4P-Programm von Medicare
“Hospital Inpatient Value-Based Purchasing” Eingang gefunden hat (CMS
2011A). In Analogie wäre hier eigentlich der Begriff “Pay for Value (P4V)”
angezeigt, ist aber nicht gebräuchlich.
► Die zweite Weiterung des Begriffes stammt aus der ökonomischen
Theorie (Principal-Agent Theory) und betrachtet das Thema unter dem
Management-Blickwinkel. Der Auftraggeber (Principal) gibt dem Agent, der
einen Informationsvorsprung hat (z.B. einem Arzt, einem Krankenhaus), den
Auftrag, in seinem Sinne eine Tätigkeit (eine Behandlung) auszuführen, die
er selbst (der Principal) nicht ausführen kann, und die er auch nicht
vollständig kontrollieren kann. P4P ist in diesem Verständnis ein Mittel des
Principal, sich der Dienste des Agent in seinem Sinne zu sichern, oder
zumindest eine größere Chance dazu zu haben, dass der Agent in seinem
Sinne handelt (vgl. Prendergast 1999, Wodchis et al. 2007, weitere
Implikationen s. Kap. 4.2.).
► In Hinblick auf die Diskussion in Deutschland erscheint die Abgrenzung von Vergütungsbestandteilen des DRG-Systemes
von Bedeutung. In einem Gutachten des BQS-Institutes (Veit et al. 2012) werden z.B. die Regelungen zur
Fallzusammenführungen bei Wiederaufnahme nach Krankenhausbehandlung als Qualitäts-orientierte Vergütung bezeichnet.
Sicherlich besteht hier ein Zusammenhang zu Qualitätsproblemen (z.B. Wiederaufnahme nach Komplikationen), andererseits
besteht der Sinn dieser Regelung in der Verhinderung einer Mengenausweitung und nicht primär in einer
Qualitätsverbesserung.
In der vorliegenden Arbeit wird daher eine spezifische Definition verwendet, die von der Qualität und der Sicherheit der
Versorgung ausgeht und
● die explizite Messung von Qualität mittels definierter Indikatoren verbunden mit
● einer nachvollziehbaren Kopplung dieser Indikatoren an monetäre Vergütungsbestandteile
in den Mittelpunkt stellt. P4P besteht also aus zwei Systemen, zum einen aus einem System der Qualitätsmessung, zum
anderen aus einem System der finanziellen Bewertung. Vergütungssysteme, die auf der Effizienz der Versorgung basieren,
also auf dem Verhältnis von Qualität und den aufgewendeten Kosten, sind ebenfalls als P4P zu verstehen, soweit sie Qualität
(und die Kosten) explizit messen und eine nachvollziehbare Kopplung an die Vergütung aufweisen. P4P betrifft fast immer nur
einen Teil der Gesamtvergütung und ist somit in andere Vergütungssysteme eingebettet. In Erweiterung der SVR-Definition
wird in der vorliegenden Arbeit daher folgende Definition verwendet:
Pay for Performance (P4P) im Gesundheitswesen basiert auf einer Qualitätsmessung durch definierte Indikatoren und
koppelt die Qualität der Versorgung an Vergütungsbestandteile mit dem Ziel, die Qualität der Gesundheitsversorgung
zu verbessern. P4P kann sich auch auf Qualität im Verhältnis zu den Kosten (Effizienz, value) beziehen.
Das Interesse in der Gesundheitspolitik an P4P fällt in eine Zeit, das darf nicht übersehen werden, in der grundsätzliche
Vorbehalte gegen jegliche nachvollziehbare und valide Messung
der Qualität im Gesundheitswesen (wieder) zunehmen, in der
grundlegende Zweifel an den wissenschaftlichen Zahlen zur
Häufigkeit von Problemen der Patientensicherheit wieder hoffähig
werden (Anonymous 2014), alles einhergehend mit einer
allgemeinen Kritik an der “Bürokratisierung” der
Gesundheitsversorgung und der vorgeblichen Standardisierung
bzw. “Ökonomisierung” durch die Evidenz-basierte Medizin (arte
17.9.2013). Qualität ließe sich gar nicht oder nur sehr schwer
messen, die methodischen Probleme seien zu zahlreich und im
Grunde nicht lösbar. Es wird auch wieder von der “Kunst der
Qualitätsmessung” (und nicht deren exakten Methodik)
gesprochen (Anonymous 2011). Wenn “Kunst” im Spiel ist, das
kennen wir aus der Patientensicherheitsdiskussion um den Begriff
des “Kunstfehlers”, dann bezieht man sich auf ein implizites
Qualitätsverständnis, das dem Patienten und der Öffentlichkeit
nicht zugänglich ist (s. Tableau 4).
(weiter: 1. Einleitung, 1.3. Umsetzung und Methodik)
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Kapitel
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1. Einleitung
1.2. Begriffsbestimmung und Definition
© Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Venloer Str. 30, D-50672 Köln
Impressum und Datenschutz
Schrappe, M.: P4P: Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller
Rahmen und Handlungsempfehlungen, Version 1.2.1.
Tableau 4: Kunst kommt von Können, wird immer gesagt.
Etymologisch stimmt das (Kluge 2002), im Zusammenhang mit
der Diskussion um Qualität und Sicherheit in der
Gesundheitsversorgung steht der Satz jedoch für das
Gegenüber von implizitem (”Kunst”) und explizitem (”Können”)
Qualitätsverständnis: Können kann man messen, Kunst
entzieht sich der Quantifizierung. Natürlich gibt es implizite,
intuitiv erfahrbare Qualitätsaspekte. Es ist aber trotzdem
gesellschaftlich konsentiert, dass die medizinische
Behandlung regelgebunden und in der Wahl ihrer Mittel nicht
von allen Regeln frei ist. Die Arbeit der Gesundheitsberufe ist
also daher keine Kunst, sie entspricht nicht der Eingebung des
Malers vor seiner leeren Leinwand. Da man allerdings weiß,
wie schwierig diese Arbeit ist, wieviel Können sie erfordert,
kann man in einem zweiten Sinne natürlich schon sagen,
jemand ist fachlich so gut, dass er als ein Künstler in seinem
Fach zu betrachten ist, dass sie ist eine richtige Künstlerin sei.
Beide haben aber sicherlich nichts dagegen, ihren Status
durch Zahlen zu hinterlegen.
M. Schrappe
P4P: Aktuelle Einschätzung,
konzeptioneller Rahmen und
Handlungsempfehlungen