Wir kennen das Phänomen von anderen Methoden im Gesundheitswesen: anfangs ist alles Gold. Es folgt ein Auf-und-Ab von
Ernüchterung, dann wieder positiver Einschätzung, nochmals Skepsis usw., bis man dann nach einer gewissen Zeit zu einer
adäquaten Beurteilung der Wirksamkeit der Methode kommt, die
der jeweiligen Anwendung und ihrem Kontext angemessen ist (s.
Abb. 4). So verhielt es sich auch bei P4P (Rosenthal et al.
2007); die früheren Studien und Reviews kamen zu besseren
Ergebnissen als die späteren Evaluationen, und aus letzteren
ergaben sich wiederum Hinweise, die in den USA und in
Großbritannien zur Entwicklung weiterführender Programme wie
dem Value-Based Purchasing-Programm von Medicare (CMS
2011B) und dem Quality and Outcome Framework des NHS
führten (NHS 2013A)). Auch Einzelstudien neueren Datums
kamen wieder zu ermutigenderen Ergebnissen (z.B. Bardach et
al. 2013, Calikoglu et al. 2013, Casale et al. 2007, Petersen et
al. 2013), allerdings sind in alle diese neueren Projekte die
Erfahrungen aus vorangegangenen “Gehversuchen”
eingeflossen.
In seinem frühen Systematischen Review (Studien bis 2006) zur
kurzfristigen Wirksamkeit von P4P auf definierte
Versorgungsziele konnte der SVR Gesundheit 28 kontrollierte
Studien identifizieren, wovon 21 Studien einen positiven Effekt zeigten (SVR 2008, Nr. 738). Jedoch war bereits in diesem
frühen Review auffällig, dass zwar 100% aller methodisch schwächeren Studien einen durchschlagenden Erfolg zeigten, dies
jedoch nur bei 6/9 Studien mit methodisch stringenterem, randomisierten Design der Fall war. Diese Verschiebung der
Effektmaße hin zu den methodisch schwächeren Studien könnte als ein
Zeichen für die mangelnde interne Vallidität der dem Review
zugrundeliegenden Studien gewertet werden: methodisch schwächere
Studien überschätzen ja gerne das Ergebnis (s. Abb. 5). Der SVR empfahl
daher nur vorsichtig “die schrittweise Einführung von Elementen dieser
Vergütungsform mit Pilotierung und intensiver Evaluation” (SVR 2008,
Kurzfassung, Nr. 132).
Die weitere Entwicklung gab dieser vorsichtigen Einschätzung zunächst
recht. Im Systematischen Review von Van Herck et al. (2010) wurde auf
der Basis von 128 Studien positive Ergebnisse (Wirksamkeit von P4P)
überwiegend bei klinischen, eindimensionalen Endpunkten (z.B. Impfrate)
gefunden, bei komplexen Endpunkten (Koordination, Kontinuität der
Behandlung, Patientenzentriertheit, Kosteneffektivität) waren die
Ergebnisse hingegen widersprüchlich. Auch diese Konstellation muss
vorsichtig stimmen, denn eindimensionale Endpunkte sind gerade bei
Interventionen wie P4P in der Praxis weit weniger adäquat als komplexe
Endpunkte. Zwei kleinere, methodisch aber sehr strenge Systematische
Reviews zeigten geringe positive Auswirkungen (Mehrotra et al. 2009, 8
Studien, ausschließlich HQIP-Krankenhäuser) an einem Teil der
untersuchten Endpunkte (Scott et al. 2011, Cochrane-Review, 7 Studien).
(Die älteren Systematischen Reviews sind an dieser Stelle nicht nochmals
aufgeführt, vgl. SVR 2008; die Systematischen Reviews von Gillem et al.
(2012) und Langdown et al. (2013) waren nur auf das britische QOF-
Programm ausgerichtet). Ein Meta-Review, der 22 Systematische Reviews
umfasste, kam zu keinen definitiven Ergebnissen (Eijkenaar et al. 2013).
Im Jahr 2012 wurde ein Review des BQS Institut für Qualität und
Patientensicherheit GmbH (s. Tableau 8) veröffentlicht, das vom
Bundesministerium für Gesundheit beauftragt war (Veit et al. 2012). Dieser
Review basierte auf einer weiter gefassten Operationalisierung des Begriffes
P4P, indem er sich auf das “Leistungsniveau” und nicht auf die Qualität als
Zielparameter bezog, und nutzte außerdem Einschlusskriterien für die
untersuchten Studien, die auch Fallserien und Fallberichte einschlossen. Die
Wertung der Studienlage und die Empfehlungen bleiben zurückhaltend, die
langfristigen Effekte werden jedoch zutreffend und kritisch dargestellt.
Weiter: 2. Langfristige Effekte, 2.2. HQIP in den USA
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2. Langfristige Effekte und Weiterentwicklung
2.1. Anfänglicher Optimismus
Abb. 4: Innovationen im Gesundheitswesen: Wechsel
von initialer Überschätzung einer Methode über eine
skeptische Beurteilung bis zu einer realistischeren
Einschätzung
Abb. 5: Systematischer Review des SVR
(2008): Nur kontrollierte Studien berücksichtigt;
mäßiggradiger Einfluss des Studiendesigns
© Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Venloer Str. 30, D-50672 Köln
Impressum und Datenschutz
Schrappe, M.: P4P: Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller
Rahmen und Handlungsempfehlungen, Version 1.2.1.
Tableau 8: Das BGS Institut für Qualität und
Patientensicherheit GmbH ist im Jahr 2008
aus der Bundesgeschäftsstelle
Qualitätssicherung (BQS) hervorgegangen.
Gesellschafter sind die Bundesärztekammer, die
Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V.,
Bundesverbände der Krankenkassen und der
Verband der privaten Krankenversicherung e.V.
(s. http://www.bqs-institut.de/bqs-
institut/gesellschafter.html, 20.11.2013)
M. Schrappe
P4P: Aktuelle Einschätzung,
konzeptioneller Rahmen und
Handlungsempfehlungen