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Prof. Dr. med. Matthias Schrappe
20.07.2015 Krankenhaus-Strukturgesetz (KHSG-Entwurf 30.06.15): Qualitäts-Orientierung von Vergütung und Krankenhausplanung Gliederung 1. Die Neustrukturierung des 9. Abschnittes des 4. Kapitels im SGB V 2. Qualitäts-orientierte Vergütung (Pay for Performance, P4P) 3. Eindämmung des Mengenanreizes 4. Qualitätsverträge - Selektivverträge 5. Mindestmengen 6. Zugangsindikatoren 7. Qualitätsorientierte Krankenhausplanung  8. Weiterentwicklung des Qualitätsberichtes (Public Reporting) und Patientenorientierung  9. Kontrolle und Durchsetzung  10. Zusammenfassende Einschätzung  Man traut seinen Augen kaum - wenn der Entwurf des Krankenhaus-Strukturgesetzes (KHSG) vom 30.06.2015 die parlamentarischen Beratungen unbeschadet überstehen sollte, dürfte die Rolle von Qualität und Sicherheit im deutschen Krankenhaus- und damit im gesamten deutschen Gesundheitswesen in neuem Licht erscheinen. Ungeachtet einiger kritikwürdiger Details, die im Einzelnen zu diskutieren sind, wird in diesem Gesetzentwurf der ernsthafte Versuch unternommen, Krankenhausvergütung und -planung durch die Elemente Qualität und Patientenbezug grundlegend weiterzuentwickeln und gleichzeitig - dringend erforderlich - regionale Versorgungsaspekte mit einzubeziehen. Im Zusammenhang mit dem am 16.7.15 beschlossenen Versorgungsstärkungsgesetz (Stärkung der Selektivverträge, Reorganisation der sekundärfachärztlichen Versorgung) steht also wirklich eine Art Gezeitenwechsel zur Diskussion. Wahrscheinlich sind solche weitreichenden Änderungen nur auf dem Hintergrund einer Großen Koalition in Berlin und einer praktisch vorhandenen Allparteien-Koalition auf Bundesratsebene denkbar. Im Mittelpunkt des KHSG stehen ● Veränderungen des Krankenhausfinanzierungs-Gesetzes (KHG), ● des Krankenhaus-Entgeltgesetzes (KHEntgG) und ● des Sozialgesetzbuch V (SGB V). Die Änderungen im SGB V stechen dadurch hervor, dass ein ganzer Abschnitt dieses Buches neu geordnet und aufgestellt wird - in concreto der Neunte Abschnitt des 4. Kapitels mit der vielzitierten Überschrift “Sicherung der Qualität der Leistungserbringung”. Hat man vorher mit vollem Recht darauf hinweisen müssen, dass der Gesetzgeber in den letzten 15 Jahren in Sachen Qualität (und zuletzt auch Patientensicherheit) zwar durchaus aktiv war, die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen aber einen detaillistischen, zufällig zusammengestellten und wenig systematischen Eindruck hinterließen (1), so ist jetzt das Bemühen des Gesetzgebers nicht von der Hand zu weisen, die Regelungen in §§135 ff neu zu ordnen, sinnvoll aufeinander aufzubauen und auf andere Regelungen wie z.B. den neuen §110a (”Qualitätsverträge”) und die entsprechenden Bestimmungen im KHG bzw. KHEntgG zu beziehen. Wenn man so will - nach dem Patientenrechtegesetz und der beabsichtigten “Grundüberholung” der Regelungen zu Selektivverträgen und Integration durch die Neufassung des §140a im VSG können wir derzeit den dritten Versuch wahrnehmen, nicht nur eine Weiterentwicklung in der Sache, sondern auch eine Steigerung der Regelungskohärenz zu erreichen (s. Anm. 2) - diese Einschätzung gilt wiederum ungeachtet der Detailkritik, die beim Patientenrechtegesetz (3), im VSG  und auch im KHSG im Einzelnen (s.u.) durchaus angebracht ist. 1. Die Neustrukturierung des 9. Abschnittes des 4. Kapitels im SGB V  Es mag formal erscheinen, aber ohne Kenntnisnahme der Veränderungen dieses Abschnittes des SGB V zur “Sicherung der Qualität der Leistungserbringung” sind die nachfolgenden Themen kaum verständlich. Im Schwerpunkt kommt es zu einer “Entflechtung” des bisherigen §137, zusätzlich werden aber zahlreiche Vertiefungen (z.B. Mindestmengen, Qualitätsbericht) und Neuerungen (Qualitäts-orientierte Vergütung, Qualitätsverträge, Kontrolle und Durchsetzung) eingebracht bzw. Bezüge zu den diesbezüglichen Regelungen an anderer Stelle hergestellt: ● die §135a bis §135c zur Verpflichtung zur Qualitätssicherung, umfassend den alten §135a (unverändert) sowie den §135b (§136 alt, unverändert) mit besonderer Hervorhebung der Kassenärztlichen Vereinigungen und den §135c zu den Pflichten der Deutschen Krankenhausgesellschaft (der alte §136a wird erweitert durch Regelungen zu mengenbezogenen Chefarztverträgen); ● in den §136 bis §136d wird jetzt die Rolle des GBA im Hinblick auf die Qualitätssicherung zusammenfassend dargestellt: §137 Abs. 1 (a.F.) wird unverändert zu §136 “Richtlinien des GBA zur Qualitätssicherung” und bezieht sich insofern auf die Richtlinienkompetenz des GBA nach §92 Abs. Satz 2 Nr. 13, die konkreten Richtlinienaufträge an den GBA nach §137 Abs. 1a,b (Hygiene), Abs. 1c (Psychiatrie/Psychosomatik), Abs. 1d (Risikomanagement) und Abs. 4 (zahnärztliche Versorgung) (alles a.F.) werden in §136a “Richtlinien des GBA zur Qualitätssicherung in ausgewählten Bereichen” Abs. 1 (Hygiene einschließlich der zu beschließenden Hygiene-relevanten Indikatoren), Abs. 2 (Psychiatrie und Psychosomatik), Abs. 3 (Risikomanagement) und Abs. 4 (zahnärztliche Versorgung) überführt, die Regelungen des §137 Abs. 3 bis 5 (a.F.) zur Qualitätssicherung im Krankenhaus werden in den neuen §136b “Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Qualitätssicherung im Krankenhaus” überführt und durch weitergehende Bestimmungen hinsichtlich der Mindestmengen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3-5), des Qualitätsberichtes (Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 6 und 7), der Qualitätsverträge nach §110a [neu] (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 8), der Qualitäts-orientierten Vergütung in Verbindung mit §17b Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 [neu] KHG und §5 Abs. 3a sowie §9 Abs. 1a Satz 1 Nr. 4 KHEntgG [neu] (Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 9), die Rolle des GBA hinsichtlich der Berücksichtigung von Qualitätsparametern in der Krankenhausplanung wird im neuen §136c “Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Qualitätssicherung und Krankenhausplanung” (i.V.m. §§1, 6 und 8 KHG [neu]) dargestellt, einschließlich der Erstellung “planungsrelevanter Indikatoren” (Abs. 1),  der Zusammenarbeit mit den Bundesländern (Abs. 2) und vor allem der Erstellung von Kriterien für die Erreichbarkeit, den Versorgungsbedarf und die Notfallversorgung (Abs. 3-4), der alte §137b wird ohne inhaltliche Änderung (wohl aber mit Änderung der Überschrift) in den § 136d “Evaluation und Weiterentwicklung der Qualitätssicherung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss” überführt und damit - immerhin - die Berichtspflicht des GBA gegenüber dem obersten Normengeber betont; ● in §137 [neu] “Durchsetzung und Kontrolle der Qualitätsanforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses” wird explizit auf die Einhaltung von Qualitätsanforderungen, die Dokumentationspflicht von 100% und i.V.m. §§276 und 277 erstmalig auf die Notwendigkeit der Überprüfung der Reliabilität der Qualitätsdaten, die zu derart eingreifenden Aufgaben wie Vergütung und Planung herangezogen werden, eingegangen, um Betrugsfällen vorzubeugen; ● der §137a “Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen” und der §137b “Aufträge des Gemeinsamen Bundesausschusses an das Institut nach §137a” bleiben der wissenschaftlichen Beratung des GBA durch das IQTiG vorbehalten und um Regelungen zur Zusammenarbeit mit den Ländern hinsichtlich der Qualitätssicherungsdaten ergänzt (§137a Abs. 11 [neu]); der neue §137b ersetzt dabei den alten §137 Abs. 5 und beschreibt die Beauftragung des IQTiG durch den GBA - in der Begründung wird erstaunlichweise besonders hervorgehoben, dass dem Institut “keine Normsetzungskompetenz oder hoheitliche Befugnis” zukommt. 2. Qualitäts-orientierte Vergütung (Pay for Performance, P4P) Die Regelungen zur Qualitäts-orientierten Vergütung (P4P) sind in der gesundheitspolitischen Diskussion ganz besonders in den Vordergrund getreten, wenngleich à la longue die Regelungen zur Qualitäts-orientierten Krankenhausplanung weitaus eingreifender sein dürften. Ebenso wie im Koalitionsvertrag und im Eckpunktepapier bereits niedergelegt, besteht das Ziel in der Verbesserung der Versorgung: “Um die Qualität der stationären Versorgung zu fördern und weiterzuentwickeln, soll sich Qualität auch bei der Vergütung der Krankenhausleistung bemerkbar machen” (Begründung zu §136b Abs. 9). Niedergelegt sind die Bestimmungen zu P4P ● im SGB V als Auftrag an den GBA im neuen §136b (Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 9), ● im Krankenhausfinanzierungsgesetz im §17b Abs. 1a [neu] Satz 1 Nr. 3 und ● im Krankenhausentgeltgesetz in §5 Abs. 3a sowie §9 Abs. 1a Satz 1 Nr. 4. Neben den bereits vorbestehenden Regelungen zu Fortbildungspflichten, Mindestmengen, Qualitätsbericht und den Qualitätsverträgen (§110a [neu]) wird dem GBA jetzt zusätzlich aufgetragen, “einen Katalog von Leistungen oder Leistungsbereichen, die sich für eine qualitätsabhängige Vergütung mit Zu- und Abschlägen eignen, sowie Qualitätsziele und Qualitätsindikatoren” zu entwickeln (§136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5). Diese P4P-Leistungen sollen lt. §136b Abs. 9 bis zum 31.12.2016 vom GBA konsentiert sein, eingeschlossen “ein Verfahren, das den Krankenkassen und den Krankenhäusern ermöglicht, auf der Grundlage der beschlossenen Festlegungen Qualitätszuschläge für außerordentlich gute und Qualitätsabschläge für unzureichende Leistungen zu vereinbaren” (Satz 2). Für diese Leistungen oder Leistungsbereiche hat der GBA “insbesondere jährlich Bewertungskriterien für außerordentlich gute und unzureichende Qualität zu veröffentlichen, möglichst aktuelle Datenübermittlungen der Krankenhäuser zu den festgelegten Qualitätsindikatoren an das Institut nach § 137a vorzusehen und ihre Auswertung sicherzustellen” (Satz 3). Die Auswertungsergebnisse sind Kassen und Krankenhäusern zugänglich zu machen, die Krankenkassen können die Ergebnisse veröffentlichen, und die Landesbehörden erhalten zwecks Krankenhausplanung ebenfalls Zugriff. Es wird in der Begründung “ein möglichst enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Qualitätserhebung, Auswertung und Vergütungsfolge gefordert”. Zur umfassenden Analyse der P4P-Problematik sei auf die Veröffentlichung “P4P:Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller Rahmen und Handlungsempfehlungen” verwiesen, die in erweiterter Form auch in “Qualität 2030” enthalten ist und insbesondere verhaltenspsychologische, organisatorische und (verhaltens-)ökonomische Aspekte mit einbezieht (4); diese Analyse kann hier nicht vollständig wiederholt werden. Herausgehoben seien nur folgende Punkte: Allgemeine Einschätzung: die deutsche Gesundheitspolitik setzt ein international gut erprobtes und intensiv genutztes Instrument ein, so wie es vom Sachverständigenrat bereits im Gutachten 2007 gefordert worden war (5). Bei dieser positiven Einschätzung ist zu beachten, dass P4P weder eine magic bullet noch ein isoliertes Instrument im Sinne einer neuen Ära der Krankenhausvergütung darstellt, denn es wird lediglich an wenigen Punkten in ein bestehendes Vergütungssystem (DRG) integriert. Bei der Einführung müssen außerdem zahlreiche technisch-methodische Fragen beachtet werden, sonst ist vorhersehbar kein Erfolg zu erwarten. Qualitätsziele: Positiv ist weiterhin anzumerken, dass im Gesetzestext explizit die Definition von Qualitätszielen gefordert wird (§136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5), denn erst diese lassen ein so differenziertes Instrument wie P4P sinnvoll erscheinen (vgl. Darstellung hier). Diese Ziele sollten nicht die akutmedizinische, prozedurale und sektorale Orientierung des Systems verstärken, sondern der Behandlung und Prävention chronischer Erkrankungen sowie der Weiterentwicklung und Stärkung der Integration dienen (z.B. aktive Beteiligung von Krankenhäusern an der Gestaltung der Integration über die Sektorgrenzen hinweg, Patientensicherheit, EDV- Ausstattung etc.). Zeitnähe: Positiv ist auch die geforderte zeitliche Nähe von Qualitätserhebung und Vergütungsfolge, denn ein Feedback- Verfahren, wozu P4P zweifelsfrei zu rechnen ist, kann nur unter dieser Bedingung funktionieren. Dual use: Leider unterlässt es der Gesetzgeber, Maßnahmen gegen ein dual use mit den Public Reporting-Instrumenten (z.B. Qualitätsbericht) zu ergreifen; P4P und PR haben gegensätzliche Ansatzsatzpunkte und laufen Gefahr, sich zu neutralisieren (s. 4). Begriff Indikatoren: Die Hauptschwierigkeit der deutschen Qualitätsdiskussion tritt im Gebrauch der Begriffe Bewertungskriterien” (§136b Abs. 9 Satz 3) und “Qualitätsindikatoren” (z.B. §136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) zutage. Wie an anderer Stelle ausgeführt (hier mehr), lässt sich Qualität nicht direkt 1:1 “messen”, sondern man arbeitet mit der Vorhersage von negativen Ergebnissen durch Indikatoren (s. JCAHO 1991). Diese Indikatoren sind sensitiv eingestellt, weil unerwünschte Ereignisse und Verläufe nicht übersehen werden sollen (zum Begriff der daraus resultierenden ”intrinsischen Ungerechtigkeit” von Indikatoren s. hier). ● Sog. Exzellenz-Indikatoren: Dieser Gesichtspunkt gibt auch Anlass, über den gleichzeitigen Einsatz von Indikatoren für exzellente Qualität” und “unzulängliche Qualität” nachzudenken. Richtig ist, dass es im internationalen Gebrauch (z.B. Value-based Purchasing in den USA) durchaus üblich ist, Häuser mit hoher Performance zu belohnen, jedoch werden hierzu ebenfalls die Problem-bezogenen Qualitätsindikatoren klassischen Zuschnitts verwendet. Die sog. “Exzellenz-Indikatoren” müssen in diesem Zusammenhang als deutscher Sonderweg erscheinen - warum nicht, es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass dieses Vorgehen aus statistischen Gründen nicht unproblematisch ist, denn sog. Exzellenz-Indikatoren müssten i.Ggs. zu genuinen Qualitätsindikatoren spezifisch eingestellt werden (damit eine “Belohnung” nicht fälschlicherweise verteilt wird). Eine Fehljustierung des gesamten Indikatorenkonzeptes ist nicht auszuschließen. Kompetenzverteilung: Unklar, schwer verständlich und in jedem Fall in hohem Maße auf verschiedene Ebenen verteilt ist die Kompetenzverteilung. Deutlich wird hervorgehoben, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Leistungsbereiche und Indikatoren sowie das Verfahren, das den Krankenkassen und den Krankenhäusern ermöglicht, auf der Grundlage der beschlossenen Festlegungen Qualitätszuschläge für außerordentlich gute und Qualitätsabschläge für unzureichende Leistungen zu vereinbaren”, festlegt (§136b Abs. 9). Nach §9 Abs. 1a Satz 1 Nr. 4 KHEntgG vereinbaren die “Vertragsparteien auf Bundesebene” bis zum 30. Juni 2017 die Höhe und die nähere Ausgestaltung von Qualitätszu- und -abschlägen für außerordentlich gute und unzureichende Qualität von Leistungen oder Leistungsbereichen auf der Grundlage der Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 136b Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 und Absatz 9 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch...”, hier sind als SPiBu und DKG am Zug. Umgesetzt soll das Ganze dann aber wohl vor Ort, nach KHEntgG §5 Abs. 3a [neu] vereinbaren “die Vertragspartner nach §11” [des KHEntgG: ”Vereinbarung für das einzelne Krankenhaus”, hier Bezug auf §18 Abs. 2 KHG (”Parteien der Pflegesatzvereinbarung”), d. Verf.] “unter Berücksichtigung begründeter Besonderheiten im Krankenhaus für Leistungen oder Leistungsbereiche mit außerordentlich guter oder unzureichender Qualität auf der Grundlage der Bewertungskriterien und Auswertungsergebnisse nach § 136b Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 und Absatz 9 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch einen Qualitätszu- oder -abschlag nach § 9 Absatz 1a Nummer 4”. Lt. Begründung sollen die Vertragspartner vor Ort auf der Basis der GBA-Bewertungskriterien und der regelmäßigen einrichtungsbezogenen Datenauswertung konsentieren, “... ob zukünftig Qualitätszu- oder - abschläge anzuwenden sind. Sie haben dazu unter Anwendung der Bewertungskriterien des G-BA und der Auswertungsergebnisse für das einzelne Krankenhaus zu prüfen, ob im jeweiligen Krankenhaus Besonderheiten vorliegen, die einen Verzicht auf die Anwendung eines Qualitätszu- oder -abschlags begründen. Wir haben also einen Prozess auf drei Ebenen vor uns: GBA für die Indikatoren und Leistungsbereiche, Spitzenverbände auf Bundesebene für die “nähere Ausgestaltung” und die Ebene vor Ort für die Frage, ob die Indikatoren zur Anwendung kommen. Man kann sich kaum vorstellen - bei nur geringster Kenntnis des Systems - dass sich aus dieser Verteilung der Komptenzen ein gangbares Verfahren entwickeln kann. Routinedaten: Kritisch ist weiterhin der Rekurs auf Routinedaten (s. Begründung §136b) zu sehen. Wie die internationale und auch deutsche Literatur eindeutig ergibt, sind diese für Zwecke der Qualitätssicherung nicht sensitiv genug (allerdings sehr interessant für Validierungs- und explorative Zwecke; mehr). Das Hauptproblem der Verwendung von Routinedaten besteht einerseits in der schwachen Reliabilität, da die Dokumentation starken Anreizen hinsichtlich der Vergütungsrelevanz ausgesetzt ist (z.B. Dekubitus), andererseits sind sie aber auch nicht sensitiv, denn sie erfassen z.B. Komplikationen immer nur insoweit, als dass sie vergütungsrelevant sind. Außerdem favorisieren sie automatisch die Verwendung von Ergebnisindikatoren, die u.a. wegen der Problematik der (ebenfalls Routinedaten-gestützten) Risikoadjustierung und der Benachteiligung kleinerer Häuser abzulehnen sind, und fördern die Anbieterorientierung der Versorgung, während aus Patientensicht eher Prozessindikatoren z.B. zu Fragen der Koordination interessant sind. Mengenanreiz: Es kann gar nicht genügend betont werden, dass eine potentielle “Nebenwirkung” von P4P in der Verstärkung des in fallpauschalierten Vergütungssystemen sowieso schon dominanten Mengenanreizes liegt (Attraktion leichter Fälle, Beeinflussung der Risikoadjustierung durch “aktives Controlling” etc.), insbesondere wenn Ergebnisindikatoren bei Krankheitsbildern mit möglicher Mengenausweitung verwendet werden. Dieser Punkt leitet über zu einem ganz entscheidenden Vorhaben des Gesetzentwurfes, nämlich der weiteren Mengenausdehnung Herr zu werden. 3. Eindämmung des Mengenanreizes Gerade im Zusammenhang mit der Qualitäts-orientierten Vergütung (Slogan: “Wir finanzieren eher Qualität als Menge”) und der Qualitäts-orientierten Krankenhausplanung stellt die fortbestehende Mengenproblematik eine der größten Herausforderungen der gegenwärtigen Gesundheitspolitik dar - ist doch eine durch Fehlanreize des Vergütungssystems bedingte Mengenausweitung ein erhebliches Qualitätsproblem im Sinne der Überversorgung. Die Situation ist ja äußerst widersprüchlich: einerseits sind Mengenanreize - gerade in sektoral organisierten Gesundheitssystemen - pauschalierten Vergütungssystemen wie DRG inhärent, andererseits stellen Pauschalierung und Regelungen zur Zentralisierung der Versorgung wie z.B. Zentrumsbildung, Schließung kleiner Krankenhäuser und Mindestmengen-Regelungen wichtige Elemente zur Weiterentwicklung des Systems dar. Auch sind Instrumente der Qualitätsverbesserung auf Systemebene wie Public Reporting und P4P nicht frei von Mengenanreizen, insbesondere hinsichtlich der Einbeziehung leichter Fälle der Elektivversorgung und bei Nutzung von Ergebnisindikatoren. Vielleicht liegt hier einer der schwächste Punkte des vorliegenden Gesetzesentwurfes, da der Gesetzgeber doch dem sektoralen Horizont verhaftet bleibt und die notwendige Weiterentwicklung zu Populations-bezogenen Versorgungsansätzen scheut, auch wenn z.B. der Strukturfonds einen Ansatz zu integrierten Versorgungszentren bietet (s.u.). Der Gesetzesentwurf zum KHSG versucht, auf vier Ebenen in die genannte Dynamik einzugreifen: ● In Erweiterung der vorbestehenden Regelungen werden die Vertragsparteien auf Bundesebene in der Neufassung des §17b Abs. 1 Satz 5 und 6 KHG nun verpflichtet, “Leistungen mit eingetretenen oder zu erwartenden wirtschaftlich begründeten Fallzahlsteigerungen gezielt abzusenken oder abzustaffeln” (Text Begründung), soweit „wirtschaftlich begründete Fallzahlsteigerungen“ oder eine „systematische Übervergütung der Sachkostenanteile“ vorliegen. Bis zum 31.5.2016 haben die Vertragsparteien hierzu einen Vorschlag zu erarbeiten, der bereits für die Kalkulation der Bewertungsrelationen für 2017 zu berücksichtigen ist. ● Bei der Vereinbarung von Mehrleistungen muss ab 2017 ein Abschlag in Höhe der veranschlagten Fixkosten der zusätzlichen Leistungen berücksichtigt werden, dessen Höhe von den Vertragsparteien bis zum 30.9.2016 konsentiert werden muss (sog. Fixkostendegressionsabschlag nach §10 Abs. 13 [neu] KHEntgG). ● Auf der Basis einer vertieften Kalkulationsbasis bei der DRG-Kalkulation haben die Vertragsparteien auf Bundesebene (DKG, Kassen, PKV) durch das INEG bis zum 30.6.2015 ein “Konzept für sachgerechte Korrekturen der Bewertungsrelationen der kalkulierten DRGFallpauschalen” zu erarbeiten, um Vergütungsfehlanreize durch sinkende Sachkosten bei gleichzeitig steigenden Landesbasisfallwerten zu vermeiden (§17b Abs. 1 Satz 6 KHG). ● Auf Ebene der arbeitsvertraglichen Regelungen auf Chefarztebene soll in Verschärfung der bisherigen Vorschrift der Mengenanreiz relativiert werden, indem die DKG im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer Formulierungshilfen erstellt, durch die “Zielvereinbarungen ausgeschlossen sind, die auf finanzielle Anreize insbesondere für einzelne Leistungen, Leistungsmengen, Leistungskomplexe oder Messgrößen hierfür abstellen, welche die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen gefährden (§135c [neu]). Es ist äußerst fraglich, ob diese Regelungen - so sehr die Player auch an die Hand genommen werden - wirklich ausreichen, um den bestehenden ökonomischen Anreiz zu neutralisieren. Die Präzisierung der Vergütungsregelungen zielt zwar in die richtige Richtung, es ist allerdings höchst unwahrscheinlich, dass mehr dabei herauskommt, als dass der ökonomische Anreiz genauer bezeichnet wird, gleichzeitig aber in vollem Umfang bestehen bleibt. 4. Qualitätsverträge - Selektivverträge Der Gesetzgeber hat die Absicht, parallel zur Qualitäts-orientierten Vergütung (P4P) die sog. “Qualitätsverträge” nach §110a [neu] SGB V einzuführen. Dabei handelt es sich schon rein sprachlich um ein schwieriges Unterfangen, denn die Qualitätsverträge werden nicht nur oft mit P4P in einen Topf geworfen, sondern laufen wegen ihrer selektivvertraglichen Natur Gefahr, von Gegnern einer gestärkten Verhandlungsmacht der Krankenkassen als reiner Euphimismus denunziert zu werden, sogar schlimmer noch: der Argumentation Vorschub zu leisten, dass wieder einmal der Begriff der Qualität zu Strukturveränderungen mit Verschlechterung der Position der Leistungserbringer missbraucht wird. Die Vorlaufzeit war relativ lang, bereits nach den Vorstellungen des Eckpunktepapiers zur Krankenhausreform sollten Qualitätsverträge für vier Diagnosen ermöglicht werden, und auch der Koalitionsvertrag hat sich auf deren Einführung festgelegt. Inhaltlich stehen sie in engem Zusammenhang zum VSG und der dort verankerten Neufassung des §140a mit der sog. Besonderen Versorgung, die im Vergleich zur vorbestehenden Regelung einer stärkeren Betonung der selektivvertraglichen Komponente im Vergleich zur Integrationskomponente entspricht. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Regelungen, die auch hier - ähnlich wie bei den Regelungen zu P4P - eine weit gespreizte Kompetenzvereilung vorsehen: ● Der GBA hat bis zum 31.7.2016 “vier Leistungen oder Leistungsbereiche, zu denen Verträge nach § 110a mit Anreizen für die Einhaltung besonderer Qualitätsanforderungen erprobt werden sollen ...” zu bestimmen (§136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 8) und soll das IQTiG beauftragen, die Auswirkungen im Vergleich zu Krankenhäusern ohne Vertrag zu untersuchen. In der Begründung wird von “Modellcharakter” gesprochen und hervorgehoben, dass es besonders wichtig sei, solche Leistungen oder -bereiche für §110a auszuwählen, bei denen keine andere Qualitätssicherungsmaßnahmen im Gange sind. ● Für den Inhalt der Verträge werden Rahmenvorgaben auf Bundesebene vorgegeben: “Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft vereinbaren für die Qualitätsverträge nach Absatz 1 bis spätestens zum 31. Dezember 2016 die verbindlichen Rahmenvorgaben für den Inhalt der Verträge” (§110a Abs. 2 Satz 1). Vor Ort “sollen” nach §110a Abs. 1 Satz 1 die “Krankenkassen (...) zu den vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 136b Absatz 1 Nummer 4 festgelegten Leistungen oder Leistungsbereichen mit dem Krankenhausträger Verträge schließen zur Förderung einer qualitativ hochwertigen stationären Versorgung (Qualitätsverträge)”. Weiter wird ausgeführt: “Ziel der Qualitätsverträge ist die Erprobung, inwieweit sich eine weitere Verbesserung der Versorgung mit stationären Behandlungsleistungen, insbesondere durch die Vereinbarung von Anreizen sowie höherwertigen Qualitätsanforderungen erreichen lässt” (Satz 2). Es handelt sich also um selektivvertragliche Regelungen mit besonderer Betonung der Qualitätsverbesserung, die durch diese Verträge erreicht werden kann - oder ausbleibt. Diese Vermengung von lokalen/betriebswirtschaftlichen und übergeordneten Zielen ist interessant, in der Begründung wird der Modell- bzw. Evaluationscharakter sogar als Grund für die Evaluation der Qualitätsauswirkungen angegeben: “Für eine anschließende Evaluierung sind die Qualitätsverträge nach Satz 2 bis zum 31. Dezember 2020 zu befristen. Der G-BA hat das Institut nach § 137a mit der Untersuchung zur Entwicklung der Versorgungsqualität bei den festgelegten Leistungen und Leistungsbereichen gemäß § 136b Absatz 8 Satz 2 zu beauftragen. Man kann es auch anders sagen: die Einführung selektivvertraglicher Regelungen im Krankenhausbereich wird abgesichert durch eine besondere Betonung der Qualitätsaspekte, ein weiteres Beispiel für die großen Erwartungen, die auf der Qualitätsfrage lasten. Und hoffentlich durch eine wissenschaftlich hochwertige Studienplanung und Auswertung des IQTiG zu einer tragfähigen Antwort fortentwickelt werden - man möchte dem IQTiG genügend wissenschaftliche Expertise für eine derart weitgehende Fragestellung wünschen. 5. Mindestmengen Die Mindestmengenregelung, zuerst eingeführt im Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003, ist eines der Dauerbrenner im deutschen Gesundheitssystem und gleichzeitig einer der Punkte, durch deren Versagen und Nichtbeachtung im höchsten Maße Qualitätsdefizite verursacht bzw. verantwortet werden (zur ausführlichen Darstellung s. (7)). Es handelt sich bei den Mindestmengen um einen typischen, sensitiv eingestellten Qualitätsindikator, international breit angewendet, der als ein gutes Beispiel für die “intrinsische Ungerechtigkeit” eines Indikators dienen kann, der in erster Linie ungenügende Leistungen identifizieren soll, in zweiter Linie aber aufgrund seiner sensitiven Einstellung auch Leistungserbringer von der Versorgung ausschließt, bei denen trotz eines Ansprechen des Indikators die Qualität der Leistung gut oder zufriedenstellend ist (s. hier). Der Grund liegt darin, dass es für zahlreiche Leistungsbereiche zwar einen Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität belegt ist, aber keine wissenschaftliche Evidenz für einen klaren Cut off existiert - wie in Kenntnis der Sachlage auch nicht anders zu erwarten. In der Konsequenz ist die Einführung von Grenzwerten bei Mindestmengen also ein dezidiert politischer Eingriff, mit dessen Umsetzung der damit beauftragte GBA in der Vergangenheit hoffnungslos überfordert war. Aktuell hat die Mindestmengenproblematik im Zusammenhang mit der Qualitäts-orientierten Krankenhausplanung eine noch verstärkte Bedeutung erhalten. Da aus politischen Gründen (Machtverlust) den für die Krankenhausplanung zuständigen Bundesländern bei der Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung hin zu einem mehr integrativen Geschehen die Hände gebunden sind, führt das Ausbleiben stringenter Mindesmengenvorgaben auf Bundesebene zu einer Blockade des Geschehens. Erst wirksame Mindestmengenregelungen können zusammen mit adäquaten Überlegungen zur Zugangsproblematik (s.u.) einen Handlungsrahmen schaffen, in dem die Bundesländer (in Befolgung bundesweiter Regelungen) wieder handlungsfähig werden und den dringend notwendigen Strukturwandel von einer starr-sektorierten Versorgung zu einer integrierten und populationsbezogenen Versorgung gestalten können. Derzeit ist aufgrund der politischen Situation wahrscheinlich auf lange Sicht die einzigartige Situation gegeben, dass man hier weiter vorankommt. Die jetzt angestrebte Regelung zu den Mindestmengen ist im Aufgabenkatalog des neuen §136b enthalten (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) und erhält wie zuvor den Begriff der “planbaren Leistung”, jedoch ohne den Hinweis, dass der Zusammenhang zwischen Qualität und Menge der erbrachten Leistung “in besonderem Maße” vorliegen muss. Interessant ist die Gesetzesbegründung, in der nicht nur die höchstrichterliche Rechtsprechung der letzten Jahre integriert, sondern darauf bezugnehmend auch die oben genannte Grenzwert-Problematik reflektiert wird: es “liegt eine Abhängigkeit der Behandlungsqualität von der erbrachten Leistungsmenge vor, wenn bei einer hoch komplexen Leistung ein nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlicher Zusammenhang belegt werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Studienlage besteht, die auf einen Zusammenhang zwischen Menge und Qualität hinweist. Ein vollbeweisender Kausalzusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität ist ausdrücklich nicht erforderlich (...). Neben wissenschaftlichen Studien können für die Ermittlung eines Zusammenhangs zwischen Menge und Qualität auch andere Quellen, aus denen Informationen zu relevanten Aspekten sichtbar werden, herangezogen werden. Weiterhin bezieht sich die Regelung entweder auf den Arzt oder den Standort oder beide gleichzeitig, so dass “bei der Wissensgenerierung die gesamte Bandbreite von Studienergebnissen und anderweitigen Erkenntnissen, die auf einen Zusammenhang zwischen Menge und Qualität hinweisen, zu nutzen ist” (Begründung). Es wird in Zukunft also etwas leichter sein, zu auch sozialrechtlich durchsetzbaren Regelungen zu kommen. Für die Tatsache, dass das BMG der Mindestmengenregelung in der jetzigen Situation eine hohe Priorität zuweist, spricht ebenfalls, dass im zentralen §136b (”Beschlüsse des GBA zur Qualitätssicherung im Krankenhaus”) in seiner neuen Fassung hierzu weitere drei Absätze enthalten sind. In Abs. 3 wird näher auf die Umsetzung eingegangen (Übergangsregelungen und Ausnahmetatbestände, insbesondere für Einrichtungen unterhalb der Mindestmenge mit hoher Qualität (Spezifität!)) und dem BMG eine Aufsichtsfunktion zugebilligt (über die Integration in die Verfahrensordnung des GBA), eine aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre wahrhaft kluge Regelung. Abs. 4 regelt den Vergütungsausschluss und insbesondere die jährliche Darlegungspflicht des Krankenhausträgers, dass “aufgrund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen” (Satz 3) die Mindestmenge erreicht wird, was “in der Regel” der Fall ist, wenn diese im Vorjahr erreicht wurde (Satz 4). Die sozialgerichtliche Klärung ist zugelassen. In Abs. 5 wird die Länderebene einbezogen und ihr das Recht zugesprochen, zur “Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung“ auf Antrag des Krankenhauses dieses von der Mindestmengenregelung auszunehmen. Diese Regelung erscheint im Lichte der “Re- Aktivierung” der krankenhaus- und versorgungsplanerischen Kompetenz der Länder sinnvoll. Kein Zweifel, diese Regelungen stellen einen deutlichen Fortschritt gegenüber den vorbestehenden Bestimmungen dar. Der Gesetzgeber auf Bundesebene hat das Heft des Handelns an diesem zentralen Punkt der weiteren Entwicklung wieder in die Hand genommen (oder wird es in die Hand genommen haben, wenn diese Regelungen die parlamentarischen Beratungen unbeschadet übersehen sollte) und somit der Krankenhausplanung bzw. modernen Ansätzen einer integrierten Versorgung neue Handlungsoptionen eröffnet, gerade auch im Hinblick auf die Handlungsansätze der Bundesländer. 6. Zugangsindikatoren Als weiteres Thema, ohne das eine Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung und überhaupt der Gesundheitsversorgung nicht denkbar ist, besteht in der Entwicklung von Zugangsindikatoren (Access-Indicators). Bereits im Eckpunktepapier hatte man unter Punkt 1.8. im Rahmen der “erreichbarkeitsorientierten Versorgungsplanung” hierauf Bezug genommen, auch der Sachverständigenrat hat sich in früheren Gutachten der Thematik angenommen (9). Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt (8), können die auf eine Zentralisierung zielenden Anreize der heutigen Vergütung (z.B. Skaleneffekte der fallpauschalierten Vergütung, Zentrenbildung, Mindestmengen etc.) nur dann zu einer ausgewogenen Umstruktrierung der Versorgung führen, wenn sie mit nachvollziehbaren Regelungen zum Zugang ins Gleichgewicht gebracht werden (8). Beide Tendenzen - Zentralisierung und Zugangsproblematik - laufen für jedes Krankheitsbild differenziert ab, denn so wie die Zentralisierungsbestrebungen auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin anderen Gesetzen gehorchen als die der unfallchirurgischen Versorgung, so ist auch der Zugang zur Versorgung für die Unfallchirurgie eine andere Sache als die zur Transplantationsmedizin. Die Spannung zwischen diesen beiden Entwicklungen stellt die Grundlage für eine sinnvolle Krankenhausplanung dar, nur leider ist die Seite der Zentralisierungstendenz durch die unvollständige Umsetzung des Mindestmengen-Indikators (s.o.) bisher fast außer Kraft gesetzt, so dass der Strukturwandel keine Dynamik mehr zeigt. Hinzu kommt der unglückliche Umstand, dass die beiden gegenläufigen Tendenzen sich einerseits in der Hand der Bundespolitik befinden (Mindestmengen), andererseits auf der Länderseite verortet sind (Krankenhausplan und Investitionen). Dabei brauchen beide Seiten einander dringend, denn aus Sicht der Bundespolitik ist die regionale Versorgung schon aus Gründen der Entfernung nicht umsetzbar, und aus Sicht der Länder ist es politisch sehr schwierig, Einschnitte in das „eigene“ Krankenhauswesen gegenüber der Öffentlichkeit durchzusetzen. Der Indikator bzw. die Indikatoren-Gruppe „Zugang zur Versorgung“ hat eine geographische, eine soziale, eine Angebots- und eine Patientendimension (8). Meist steht die geographische Dimension im Vordergrund, und in dieser Hinsicht erscheint die Zugangsproblematik in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zunächst als nur gering ausgeprägt. Allerdings geben in internationalen Vergleichsuntersuchungen 20 bis 30% der Patienten an, sie hätten Wartezeiten auf einen Arztkontakt von mehr als 5 Tagen, speziell bei Facharztterminen, und der Zugang sei auch aus finanziellen Gründen erschwert. Bei GKV-Versicherten zeigt sich gegenüber Privatversicherten eine Verlängerung der Wartezeit auf einen Facharzttermin um den Faktor 3 - die Zugangsproblematik in ihrer sozialen bzw. Angebots-Dimension. So ist es nicht überraschend, dass sich die ersten expliziten Regelungen zum Zugang im Versorgungsstärkungsgesetz in den Vorgaben zu den Terminstellen finden (§75 Abs. 1a, VSG). In der gegenwärtigen Gesetzesinitiative (KHSG) wird die Zugangsproblematik im neuen §136c “Beschlüsse des GBA zu Qualitätssicherung und Krankenhausplanung” angesprochen, und zwar über die Sicherstellungszuschläge für Krankenhäuser in Regionen geringen Behandlungsbedarfs. Neben den Regelungen zur Notfallversorgung (Abs. 4) wird hier die Erreichbarkeit in Abs. 3 in die Krankenhausplanung eingeführt, indem der GBA verpflichtet wird, “bundeseinheitliche Vorgaben für die Vereinbarung von Sicherstellungszuschlägen nach § 17b Absatz 1a Nummer 6 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes in Verbindung mit § 5 Absatz 2 des Krankenhausentgeltgesetzes” zu konsentieren (§136c Abs. 3 Satz 2). “Der Gemeinsame Bundesausschuss hat insbesondere Vorgaben zu beschließen 1. zur Erreichbarkeit (Minutenwerte) für die Prüfung, ob die Leistungen durch ein anderes geeignetes Krankenhaus, das die Leistungsart erbringt, ohne Zuschlag erbracht werden können, 2. wann ein geringer Versorgungsbedarf besteht und 3. für welche Leistungen die notwendige Vorhaltung für die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist” (Satz 3). Die Begründung führt weiter aus: “Die Vorgaben müssen so ausgestaltet sein, dass sie regionalen Besonderheiten, die die Erreichbarkeit beeinflussen (z. B. Topographie, Verkehrsinfrastruktur und -lage), hinreichend Rechnung tragen.” Ein Sicherstellungszuschlag soll nur gezahlt werden, wenn die Defizite des Krankenhauses auf den geringen Versorgungsdarf zurückgehen und nicht die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Krankenhausorganisation. Es handelt sich nicht um Leistungen der unmittelbaren Notfallversorgung, sondern um Leistungen, “bei denen eine unmittelbare diagnostische oder therapeutische Versorgung notwendig ist” (Begründung). Der GBA soll (auch dieses) Problem lösen - dringend notwendig wäre es. 7. Qualitätsorientierte Krankenhausplanung Die in Punkt 5 und 6 angespochenen Regelungen der Mindestmengen und der Zugangsindikatoren bilden die Grundlage für eine zukunftsfeste Weiterentwicklung der Krankenhausplanung, wobei viele Fragen noch ungeklärt bleiben. Es darf nicht aus dem Blick geraten, dass die beabsichtigten neuen Regelungen zur Qualitäts-orientierten Krankenhausplanung mit Sicherheit die weitgehensten Änderungen darstellen, denen sich das Krankenhauswesen in Deutschland seit Einführung der DRG vor eineinhalb Jahrzehnten gegenübersieht. Der Hintergrund ist klar: Die Krankenhausplanung in Deutschland befindet sich im Umbruch. Im Gegensatz zur Krankenhausfinanzierung befindet sich die Planung einschließlich der Investitionen in der Hand der Bundesländer, die zunehmend statt der Planung von Krankenhausbetten die Planung von Fällen in den Mittelpunkt stellen. So formuliert der Krankenhausplan 2015 von Nordrhein-Westfalen neben Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit, Erreichbarkeit und Trägervielfalt unter „besondere Ziele“ das Kriterium „Versorgungsqualität“ und bezieht sich dabei auf die Strukturqualität (z.B. Facharztstandard) sowie Leitlinien der Fachgesellschaften (z.B. Schlaganfall-, kardiologische und Traumaversorgung). Auch die Bundesebene ist im Boot: im Koalitionsvertrag der Großen Koalition in Berlin vom 23.11.2013 findet sich der Satz „Qualität wird als weiteres Kriterium für Entscheidungen der Krankenhausplanung gesetzlich eingeführt (§ 1 KHG).“ Die wichtigste Voraussetzung für die jetzigen Regelungen fanden sich dann im Eckpunktepapier zur Krankenhausreform vom 5.12.2014: ● es wird konsentiert, dass die Weiterentwicklung des Krankenhaussektors nur gemeinsam von Ländern und Bund möglich ist (z.B. Beteiligung der Länder an den entsprechenden GBA-Beschlussfassungen (Punkt 1.7.), wie auch im VSG vorgesehen), und ● Qualität soll in der Krankenhausplanung eine wichtige Rolle spielen, sie werden in §1 des KHG als Grundlage für Entscheidungsprozesse auf Landesebene aufgenommen wird (1.1.) und “planungsrelevante Indikatoren” (ein neuer Terminus) wird für die Bereiche der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität entwickelt (Aufgabe des GBA, 1.1.). Auf den ersten Blick ist die Absicht, Qualitätsparameter in die Krankenhausplanung einzuführen, begrüßenswert, erscheint dieser Zugang doch sehr viel sinnvoller als die statische Planung von Fachabteilungsbetten oder von Fällen ohne jedwelche Differenzierung. Allerdings ist doch erhebliche Skepsis angebracht, denn zu allervorderst ist ja die Frage zu klären, ob die Thematik „Qualitäts-orientierte Krankenhausplanung“ überhaupt sinnvoll gewählt ist - oder muss angesichts des Versorgungsbedarfs zwangsläufig eine „Qualitäts-orientierte Versorgungsplanung“ angegangen werden, die nicht mehr nur den stationären Sektor, sondern das ganze Versorgungsgeschehen einer Region in den Blick nimmt. Dahinter steht also die Frage, ob die Sektor-bezogene Betrachtungsweise überhaupt noch sinnvoll ist und mit Qualitätsparametern eine Verbesserung der Planung unter sektoraler Perspektive möglich ist. Wäre dies nicht der Fall, würde ähnlich wie bei einer mangelhaften Umsetzung von Pay for Performance das Thema Qualität „verbraucht“ und für weitere Initiativen entwertet, mit unabsehbarem Schaden. Zunächst aber zu den im KHSG angestrebten Regelungen. Führend in den jetzigen Vorschlägen im Entwurf des KHSG sind die Erweiterungen im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Im Einzelnen handelt es sich um folgende Bestimmungen: ● In §1 Abs. 1 des KHG wird der “Begriff der bedarfsgerechten Versorgung” durch die Zielformulierung “qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung” ersetzt. Die Länder haben diese Ziele bei der Krankenhausplanung umzusetzen. Als patientengerecht” (ein zentrales Qualitätskriterium) ist lt. Begründung “eine Versorgung anzusehen, die sich an den Wünschen der Patienten orientiert, auch für die Dauer ihrer Eingliederung in die Krankenhausorganisation und der medizinischen Behandlung als Personen mit individuellen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden.” In §8 Abs. 2 wird eine in der konkreten Planungssituation sehr wichtige Bestimmung angefügt: “die Vielfalt der Krankenhausträger ist nur dann zu berücksichtigen, wenn die Qualität der erbrachten Leistungen der Einrichtungen gleichwertig ist.“ Die Vielfalt der Trägerstruktur rückt Ziel der Krankenhausplanung also deutlich nach hinten, eine conditio sine qua non, wenn eine aktive Planung beabsichtigt ist. ● In §6 “Krankenhausplanung und Investitionsprogramme” wird ein neuer Abs. 1a eingefügt, der den Begriff des planungsrelevanten Qualitätsindikators” kodifiziert, der “Bestandteil des Krankenhausplanes” wird, unter Maßgabe der näheren Umsetzung der Länder. Diese planungsrelevanten Indikatoren werden vom GBA festgelegt (§136c, s.u.). Krankenhausplan: Plankrankenhäuser, die “nicht nur vorübergehend und in einem erheblichen Maß unzureichende Qualität aufweisen”, dürfen “ganz oder teilweise nicht in den Krankenhausplan aufgenommen” (§8 Abs. 1a [neu]) bzw. müssen aus diesem ausgeschlossen werden [Abs. 1b [neu]). ● Der GBA erarbeitet und beschließt - als Empfehlung an die Länder - “Qualitätsindikatoren zur Struktur- , Prozess- und Ergebnisqualität, die als Grundlage für qualitätsorientierte Entscheidungen der Krankenhausplanung geeignet sind und nach § 6 Absatz 1a Krankenhausfinanzierungsgesetz Bestandteil des Krankenhausplans werden” (§136c Abs. 1). Die Begründung zu diesem Absatz ist außerordentlich ausführlich und geht von der Feststellung aus: “Durch die Anwendung der Qualitätsindikatoren werden die Länder in die Lage versetzt, bei ihren Planungsentscheidungen neben Aspekten der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Krankenhäusern auch die Versorgungsqualität der Einrichtungen zu berücksichtigen. ● Zur Gestaltung des Übergangs wird ein Strukturfonds eingerichtet (§§12-14 KHG). Die Begründung ist §12 ist deutlich: “Zweck des Strukturfonds ist insbesondere der Abbau von Überkapazitäten, die Konzentration von stationären Versorgungsangeboten und Standorten sowie die Umwandlung von Krankenhäusern in nicht akutstationäre örtliche Versorgungseinrichtungen; palliative Versorgungsstrukturen sollen gefördert werden.” Dieses Vorhaben ist sicherlich sinnvoll (wenngleich ordnungspolitisch nicht über jeden Zweifel erhaben), bedeuten jedoch nichts anderes als eine Finanzierung einer genuinen Länderaufgabe (die Begründung sagt: “im Rahmen der Daseinsvorsorge Aufgabe der Länder”) durch die Bundesebene bzw. - noch eine offene Flanke - aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds (und nicht aus dem Steueraufkommen). Eine gleichhohe Beteiligung der Länder ist Bedingung, so dass 2mal 500 Mio. € zusammenkommen (Verwaltung durch das Bundesversicherungsamt). Vergabekriterien und - verfahren werden vom BMG, den Ländern und dem SpiBu festgelegt, eine erfreuliche transföderale Zusammenarbeit (Abs. 3). Grundsätzlich ist an den Zielen wirklich nichts auszusetzen und soll hier aus der Begründung zitiert werden: “Der notwendige Strukturwandel zum Zweck einer bedarfsgerechten Krankenhausversorgung hat sich in den vergangenen Jahren nur langsam entwickelt. Mit den Mitteln des Strukturfonds können z. B. die Schließung von Krankenhäusern (§ 9 Absatz 2 Nummer 5) oder die Umstellung von Krankenhäusern oder Krankenhausabteilungen auf andere Aufgaben, insbesondere zu ihrer Umwidmung in Pflegeeinrichtungen oder selbständige, organisatorisch und wirtschaftlich vom Krankenhaus getrennte Pflegeabteilungen (§ 9 Absatz 2 Nummer 6), finanziert werden. Überzählige Kapazitäten können weiterhin in nicht akutstationäre Versorgungseinrichtungen (Gesundheits- und Pflegezentren) umgewidmet werden. Aus dem Fonds können neben dem Abbau bzw. der Umwidmung von Bettenkapazitäten auch strukturverbessernde Investitionsmaßnahmen mitfinanziert werden, die die Konzentration von Krankenhausstandorten zum Ziel haben”.  Zusammenfassend soll die Weiterentwicklung des Krankenhaussektors also durch Qualitätsindikatoren und durch eine finanzielle Unterstützung des Strukturwandels geschehen. Ähnlich wie bei der Mengenproblematik sieht man sich in einer Situation, in der der wichtigste Fehlanreiz des zugrundeliegenden Vergütungssystems durch “weiche Faktoren” wie Qualität und (im Maßstab: geringe) finanzielle Mittel neutralisiert werden soll. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die wichtigsten Anreize des derzeitigen Vergütungssystems im Krankenhausbereich, dem DRG-System, einer sektoralen Optimierung gelten (Mengenausweitung, prozedural betonte operative Medizin, Akutmedizin) und man sich das Krankheitsspektrum und die Versorgungsstrukturen, die in Zukunft im Rahmen der Versorgung einer alternden Bevölkerung benötigt werden (Kooperation mit maximaler Integration der Versorgung, chronische Mehrfacherkrankungen mit konservativem Schwerpunkt, Begleitung statt Eingriffs-bezogene Versorgung), ansieht, können gewisse Zweifel nicht ausbleiben, ob die gute Absicht hinter dem gegenwärtigen Gesetzesentwurf sich wirklich durchsetzen wird. 8. Weiterentwicklung des Qualitätsberichtes (Public Reporting) und Patientenorientierung Patientenorientierung in Gesetze zu fassen - das ist sicher keine einfache Aufgabe. Vor einem guten Jahr wurde ein kleiner Schritt in diese Richtung getan, als man im GKV-FQWG der “unabhängigen Institution” nach §137a SGB V (IQTiG) die Aufgabe mitgab, auch Indikatoren zu entwickeln, die auf Patientenerfahrungen beruhen: PROMs, Patient Reported Outcome Measures, heissen diese international (s. Vortrag und Qualität 2030). In zweierlei Hinsicht werden im Entwurf des KHSG zwei weitere “kleine” Schritte unternommen: ● In §1 Abs. 1 des KHG wird der “Begriff der bedarfsgerechten Versorgung” durch die Zielformulierung “qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte Versorgung” ersetzt (s.o.). Als “patientengerecht” ist lt. Begründung “eine Versorgung anzusehen, die sich an den Wünschen der Patienten orientiert, auch für die Dauer ihrer Eingliederung in die Krankenhausorganisation und der medizinischen Behandlung als Personen mit individuellen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden.”  ● In § 136b Abs. 6 [neu] SGB V wird im Rahmen einer moderaten Weiterentwicklung des Qualitätsberichtes besonders auf die Patientenerfahrungen und auf patientenrelevante Informationen eingegangen. In Satz 3 heißt es: “Ergebnisse von Patientenbefragungen, soweit diese vom Gemeinsamen Bundesausschuss veranlasst werden, sind in den Qualitätsbericht aufzunehmen.” Und in Satz 5 folgt zum Thema Patientenrelevanz: “In einem speziellen Berichtsteil sind die besonders patientenrelevanten Informationen in übersichtlicher Form und in allgemein verständlicher Sprache zusammenzufassen. Besonders patientenrelevant sind insbesondere Informationen zur Patientensicherheit und hier speziell zur Umsetzung des Risiko- und Fehlermanagements, zu Maßnahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit, zur Einhaltung von Hygienestandards sowie zu Maßzahlen der Personalausstattung in den Fachabteilungen des jeweiligen Hauses. Nicht viel, aber immerhin: Krankenhausplanung und das Instrument des Public Reporting sollen sich dieses Gesichtspunktes annehmen. 9. Durchsetzung und Kontrolle der Qualitätsanforderungen Dieser Punkt hat in der “Qualitätsszene” zu einiger Aufregung gesorgt, verständlich, aber im Endeffekt zu Unrecht. Es ist richtig, dass Qualitätsentwicklung gerade im institutionellen Rahmen auf dem Begriff des Organisationslernens und nicht auf hierarchischer Anordnung basiert. Ohne dass dieser Punkt angezweifelt werden soll, muss jedoch auch beachtet werden, dass dort, wo Qualitätsaspekte vergütungsrelevant werden, starke Anreize für ein gaming existieren (insbes. Risikoselektion, aber auch Upcoding, falsches Kodieren von Risikofaktoren, Tunnel-Blick auf Indikatoren etc.). Es ist daher kaum zu vermeiden, dass die Dokumentation der Qualitätsdaten (nicht die Qualtiätsverbesserung selbst!) durch Stichproben- und andere statistische Verfahren überprüft wird, will man nicht den Untüchtigen, die sich unredlichen Methoden bedienen, das Feld überlassen und diejenigen, die Qualitätsdefizite zugeben und sie benennen, schaden. Dies gilt gerade auch im Zusammenhnag mit der 100%igen Dokumentationspflicht, so wie sie im neuen §137 niedergelegt ist. Dass der Medizinische Dienst hiermit beauftragt wird §§276 und 277), mag opportunistisch zu entscheiden sein. Dafür spricht, dass über die Kontrolle der DRG-Kodierung hier schon eine gewisse Erfahrung besteht. 10. Zusammenfassende Beurteilung Zunächst: Das Thema Qualität wird gefordert und tritt mitten in die Arena des gesundheitspolitischen Geschehens. Vorher noch belächelt als ein Thema für Idealisten, Datensammler und beschränkt auf den institutionellen Rahmen des Qualitatsmanagements, reift es jetzt zu einer Steuerungskomponente auf Systemebene. Dies als etwas anderes als einen Meilenstein zu bezeichnen, wäre völlig unangebracht. Aber zweitens: hoffentlich wird das Thema Qualität mit seiner neuen Rolle nicht überfordert, denn die basalen Strukturdefizite des Systems werden nicht geändert: Fallpauschalierung, Sektorierung, Orientierung auf Akuterkrankungen und Prozeduren. Können Instrumente zur Qualitätsverbesserung auf Systemebene die resultierenden Fehlanreize wirklich ausgleichen - oder werden sie dem Druck nicht standhalten? Man muss hier Zweifel anmelden, zumindest so lange als dass keine klare Perspektive zur Weiterentwicklung des Gesamtsystems vorgegeben ist. Und drittens: die Kompetenz zur Umsetzung mit ihrer Verteilung auf den GBA, die Selbstverwaltungsverbände und dann noch auf die Verhandlungsebene vor Ort (P4P, Qualitätsverträge, Krankenhausplanung) ist stark diversifiziert und wäre schon unter optimalen Bedingungen starken Friktionen ausgesetzt. Es muss bezweifelt werden, dass bei der konkreten Umsetzung hier wirklich funktionsfähige Konzepte und Umsetzungsvorgaben entwickelt werden können. Und last not least: die zahlreichen Detailprobleme, z.B. dual use bei P4P, Routinedaten, Mengenanreiz durch Ergebnisindikatoren und und und - wie soll der Sachverstand entwickelt bzw. fokussiert werden, um hier den richtigen Weg, für jeden der angesprochenen Punkte, zu finden? ------- (1) Zur weiterführenden Analyse s. M. Schrappe “Qualität 2030 - die umfassende Strategie für das Gesundheitswesen”, Berlin 2014, S. 215 ff (Download, Bestellung) (2) wobei die in “Qualität 2030” entwickelten Empfehlungen (Nr. 5 und folgende) an den Gesetzgeber nur in Ansätzen umgesetzt wurden, dies soll aber die positive Beurteilung nicht schmälern (s. M. Schrappe a.a.O. S. 309 ff und Kurzfassung). (3) s. umfassende Einschätzung zum Patientenrechtegesetz in M. Schrappe a.a.O. S. 230 ff (4) M. Schrappe “Qualität 2030 - die umfassende Strategie für das Gesundheitswesen”, Berlin 2014, S. 189 ff und S. 331 ff (Download, Bestellung) (5) Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Kooperation und Verantwortung. Voraussetzungen für eine zielorientierte Gesundheitspolitik. Gutachten 2007, Band I und II, Nomos, Baden-Baden 2008, Nr. 725ff (6) JCAHO 1991: Primer on Indicator Development and Application, Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations. One Renaissance Blvd, Oakbrook Terrace, Illinois 60181, 1991 (7) M. Schrappe “Qualität 2030 - die umfassende Strategie für das Gesundheitswesen”, Berlin 2014, S. 119 ff (Download, Bestellung) (8) M. Schrappe “Qualität 2030 - die umfassende Strategie für das Gesundheitswesen”, Berlin 2014, S. 113 ff und im Rahmen der Krankenhausplanung S. 316ff (Download, Bestellung) (9) Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Kooperation und Verantwortung. Voraussetzungen für eine zielorientierte Gesundheitspolitik. Gutachten 2007, Band I und II, Nomos, Baden-Baden 2008, Nr. 491ff
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● Schwerpunkt auf chronischen Mehrfacherkrankungen älterer Menschen statt (allein) auf Akuterkrankungen, ● Förderung der Krankheitsprävention gegenüber der Behandlung aufgetretener Erkrankungen, ● Überwindung der Sektorierung des Gesundheitssystems zugunsten einer besseren Integration und Koordination der Behandlung, ● Qualitäts- statt ausschließlicher Mengenorientierung, und ● Patienten- statt Anbieterbezug
Das deutsche Gesundheitswesen: Charakteristik (s. (1), hier)
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