Prof. Dr. med. Matthias Schrappe
20.07.2015 Krankenhaus-Strukturgesetz (KHSG-Entwurf 30.06.15): Qualitäts-Orientierung von Vergütung
und Krankenhausplanung
Gliederung
1. Die Neustrukturierung des 9. Abschnittes des 4. Kapitels im SGB V
2. Qualitäts-orientierte Vergütung (Pay for Performance, P4P)
3. Eindämmung des Mengenanreizes
4. Qualitätsverträge - Selektivverträge
5. Mindestmengen
6. Zugangsindikatoren
7. Qualitätsorientierte Krankenhausplanung
8. Weiterentwicklung des Qualitätsberichtes (Public Reporting) und Patientenorientierung
9. Kontrolle und Durchsetzung
10. Zusammenfassende Einschätzung
Man traut seinen Augen kaum - wenn der Entwurf des Krankenhaus-Strukturgesetzes (KHSG) vom 30.06.2015 die
parlamentarischen Beratungen unbeschadet überstehen sollte, dürfte die Rolle von Qualität und Sicherheit im deutschen
Krankenhaus- und damit im gesamten deutschen Gesundheitswesen in neuem Licht erscheinen. Ungeachtet einiger kritikwürdiger
Details, die im Einzelnen zu diskutieren sind, wird in diesem Gesetzentwurf der ernsthafte Versuch unternommen,
Krankenhausvergütung und -planung durch die Elemente Qualität und Patientenbezug grundlegend weiterzuentwickeln und
gleichzeitig - dringend erforderlich - regionale Versorgungsaspekte mit einzubeziehen. Im Zusammenhang mit dem am 16.7.15
beschlossenen Versorgungsstärkungsgesetz (Stärkung der Selektivverträge, Reorganisation der sekundärfachärztlichen
Versorgung) steht also wirklich eine Art Gezeitenwechsel zur Diskussion. Wahrscheinlich sind solche weitreichenden Änderungen
nur auf dem Hintergrund einer Großen Koalition in Berlin und einer praktisch vorhandenen Allparteien-Koalition auf
Bundesratsebene denkbar.
Im Mittelpunkt des KHSG stehen
● Veränderungen des Krankenhausfinanzierungs-Gesetzes (KHG),
● des Krankenhaus-Entgeltgesetzes (KHEntgG) und
● des Sozialgesetzbuch V (SGB V).
Die Änderungen im SGB V stechen dadurch hervor, dass ein ganzer Abschnitt dieses Buches neu geordnet und aufgestellt wird -
in concreto der Neunte Abschnitt des 4. Kapitels mit der vielzitierten Überschrift “Sicherung der Qualität der
Leistungserbringung”. Hat man vorher mit vollem Recht darauf hinweisen müssen, dass der Gesetzgeber in den letzten 15 Jahren
in Sachen Qualität (und zuletzt auch Patientensicherheit) zwar durchaus aktiv war, die diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen
aber einen detaillistischen, zufällig zusammengestellten und wenig systematischen Eindruck hinterließen (1), so ist jetzt das
Bemühen des Gesetzgebers nicht von der Hand zu weisen, die Regelungen in §§135 ff neu zu ordnen, sinnvoll aufeinander
aufzubauen und auf andere Regelungen wie z.B. den neuen §110a (”Qualitätsverträge”) und die entsprechenden Bestimmungen im
KHG bzw. KHEntgG zu beziehen. Wenn man so will - nach dem Patientenrechtegesetz und der beabsichtigten “Grundüberholung”
der Regelungen zu Selektivverträgen und Integration durch die Neufassung des §140a im VSG können wir derzeit den dritten
Versuch wahrnehmen, nicht nur eine Weiterentwicklung in der Sache, sondern auch eine Steigerung der Regelungskohärenz zu
erreichen (s. Anm. 2) - diese Einschätzung gilt wiederum ungeachtet der Detailkritik, die beim Patientenrechtegesetz (3), im VSG
und auch im KHSG im Einzelnen (s.u.) durchaus angebracht ist.
1. Die Neustrukturierung des 9. Abschnittes des 4. Kapitels im SGB V
Es mag formal erscheinen, aber ohne Kenntnisnahme der Veränderungen dieses Abschnittes des SGB V zur “Sicherung der
Qualität der Leistungserbringung” sind die nachfolgenden Themen kaum verständlich. Im Schwerpunkt kommt es zu einer
“Entflechtung” des bisherigen §137, zusätzlich werden aber zahlreiche Vertiefungen (z.B. Mindestmengen, Qualitätsbericht) und
Neuerungen (Qualitäts-orientierte Vergütung, Qualitätsverträge, Kontrolle und Durchsetzung) eingebracht bzw. Bezüge zu den
diesbezüglichen Regelungen an anderer Stelle hergestellt:
● die §135a bis §135c zur Verpflichtung zur Qualitätssicherung, umfassend den alten §135a (unverändert) sowie den §135b
(§136 alt, unverändert) mit besonderer Hervorhebung der Kassenärztlichen Vereinigungen und den §135c zu den Pflichten der
Deutschen Krankenhausgesellschaft (der alte §136a wird erweitert durch Regelungen zu mengenbezogenen Chefarztverträgen);
● in den §136 bis §136d wird jetzt die Rolle des GBA im Hinblick auf die Qualitätssicherung zusammenfassend dargestellt:
► §137 Abs. 1 (a.F.) wird unverändert zu §136 “Richtlinien des GBA zur Qualitätssicherung” und bezieht sich insofern auf
die Richtlinienkompetenz des GBA nach §92 Abs. Satz 2 Nr. 13,
► die konkreten Richtlinienaufträge an den GBA nach §137 Abs. 1a,b (Hygiene), Abs. 1c (Psychiatrie/Psychosomatik), Abs.
1d (Risikomanagement) und Abs. 4 (zahnärztliche Versorgung) (alles a.F.) werden in §136a “Richtlinien des GBA zur
Qualitätssicherung in ausgewählten Bereichen” Abs. 1 (Hygiene einschließlich der zu beschließenden Hygiene-relevanten
Indikatoren), Abs. 2 (Psychiatrie und Psychosomatik), Abs. 3 (Risikomanagement) und Abs. 4 (zahnärztliche Versorgung)
überführt,
► die Regelungen des §137 Abs. 3 bis 5 (a.F.) zur Qualitätssicherung im Krankenhaus werden in den neuen §136b
“Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Qualitätssicherung im Krankenhaus” überführt und durch
weitergehende Bestimmungen hinsichtlich der Mindestmengen (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3-5), des Qualitätsberichtes
(Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 6 und 7), der Qualitätsverträge nach §110a [neu] (Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 8), der
Qualitäts-orientierten Vergütung in Verbindung mit §17b Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 [neu] KHG und §5 Abs. 3a sowie §9 Abs. 1a Satz
1 Nr. 4 KHEntgG [neu] (Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 9),
► die Rolle des GBA hinsichtlich der Berücksichtigung von Qualitätsparametern in der Krankenhausplanung wird im neuen
§136c “Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Qualitätssicherung und Krankenhausplanung” (i.V.m.
§§1, 6 und 8 KHG [neu]) dargestellt, einschließlich der Erstellung “planungsrelevanter Indikatoren” (Abs. 1), der
Zusammenarbeit mit den Bundesländern (Abs. 2) und vor allem der Erstellung von Kriterien für die Erreichbarkeit, den
Versorgungsbedarf und die Notfallversorgung (Abs. 3-4),
► der alte §137b wird ohne inhaltliche Änderung (wohl aber mit Änderung der Überschrift) in den § 136d “Evaluation und
Weiterentwicklung der Qualitätssicherung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss” überführt und damit - immerhin
- die Berichtspflicht des GBA gegenüber dem obersten Normengeber betont;
● in §137 [neu] “Durchsetzung und Kontrolle der Qualitätsanforderungen des Gemeinsamen Bundesausschusses” wird
explizit auf die Einhaltung von Qualitätsanforderungen, die Dokumentationspflicht von 100% und i.V.m. §§276 und 277 erstmalig auf
die Notwendigkeit der Überprüfung der Reliabilität der Qualitätsdaten, die zu derart eingreifenden Aufgaben wie Vergütung und
Planung herangezogen werden, eingegangen, um Betrugsfällen vorzubeugen;
● der §137a “Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen” und der §137b “Aufträge des Gemeinsamen
Bundesausschusses an das Institut nach §137a” bleiben der wissenschaftlichen Beratung des GBA durch das IQTiG
vorbehalten und um Regelungen zur Zusammenarbeit mit den Ländern hinsichtlich der Qualitätssicherungsdaten ergänzt (§137a
Abs. 11 [neu]); der neue §137b ersetzt dabei den alten §137 Abs. 5 und beschreibt die Beauftragung des IQTiG durch den GBA - in
der Begründung wird erstaunlichweise besonders hervorgehoben, dass dem Institut “keine Normsetzungskompetenz oder
hoheitliche Befugnis” zukommt.
2. Qualitäts-orientierte Vergütung (Pay for Performance, P4P)
Die Regelungen zur Qualitäts-orientierten Vergütung (P4P) sind in der gesundheitspolitischen Diskussion ganz besonders in den
Vordergrund getreten, wenngleich à la longue die Regelungen zur Qualitäts-orientierten Krankenhausplanung weitaus eingreifender
sein dürften. Ebenso wie im Koalitionsvertrag und im Eckpunktepapier bereits niedergelegt, besteht das Ziel in der Verbesserung
der Versorgung: “Um die Qualität der stationären Versorgung zu fördern und weiterzuentwickeln, soll sich Qualität auch bei der
Vergütung der Krankenhausleistung bemerkbar machen” (Begründung zu §136b Abs. 9). Niedergelegt sind die Bestimmungen zu
P4P
● im SGB V als Auftrag an den GBA im neuen §136b (Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 9),
● im Krankenhausfinanzierungsgesetz im §17b Abs. 1a [neu] Satz 1 Nr. 3 und
● im Krankenhausentgeltgesetz in §5 Abs. 3a sowie §9 Abs. 1a Satz 1 Nr. 4.
Neben den bereits vorbestehenden Regelungen zu Fortbildungspflichten, Mindestmengen, Qualitätsbericht und den
Qualitätsverträgen (§110a [neu]) wird dem GBA jetzt zusätzlich aufgetragen, “einen Katalog von Leistungen oder
Leistungsbereichen, die sich für eine qualitätsabhängige Vergütung mit Zu- und Abschlägen eignen, sowie Qualitätsziele und
Qualitätsindikatoren” zu entwickeln (§136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5). Diese P4P-Leistungen sollen lt. §136b Abs. 9 bis zum 31.12.2016
vom GBA konsentiert sein, eingeschlossen “ein Verfahren, das den Krankenkassen und den Krankenhäusern ermöglicht, auf der
Grundlage der beschlossenen Festlegungen Qualitätszuschläge für außerordentlich gute und Qualitätsabschläge für unzureichende
Leistungen zu vereinbaren” (Satz 2). Für diese Leistungen oder Leistungsbereiche hat der GBA “insbesondere jährlich
Bewertungskriterien für außerordentlich gute und unzureichende Qualität zu veröffentlichen, möglichst aktuelle Datenübermittlungen
der Krankenhäuser zu den festgelegten Qualitätsindikatoren an das Institut nach § 137a vorzusehen und ihre Auswertung
sicherzustellen” (Satz 3). Die Auswertungsergebnisse sind Kassen und Krankenhäusern zugänglich zu machen, die Krankenkassen
können die Ergebnisse veröffentlichen, und die Landesbehörden erhalten zwecks Krankenhausplanung ebenfalls Zugriff. Es wird in
der Begründung “ein möglichst enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Qualitätserhebung, Auswertung und Vergütungsfolge
gefordert”.
Zur umfassenden Analyse der P4P-Problematik sei auf die Veröffentlichung “P4P:Aktuelle Einschätzung, konzeptioneller Rahmen
und Handlungsempfehlungen” verwiesen, die in erweiterter Form auch in “Qualität 2030” enthalten ist und insbesondere
verhaltenspsychologische, organisatorische und (verhaltens-)ökonomische Aspekte mit einbezieht (4); diese Analyse kann hier nicht
vollständig wiederholt werden. Herausgehoben seien nur folgende Punkte:
● Allgemeine Einschätzung: die deutsche Gesundheitspolitik setzt ein international gut erprobtes und intensiv genutztes
Instrument ein, so wie es vom Sachverständigenrat bereits im Gutachten 2007 gefordert worden war (5). Bei dieser positiven
Einschätzung ist zu beachten, dass P4P weder eine magic bullet noch ein isoliertes Instrument im Sinne einer neuen Ära der
Krankenhausvergütung darstellt, denn es wird lediglich an wenigen Punkten in ein bestehendes Vergütungssystem (DRG) integriert.
Bei der Einführung müssen außerdem zahlreiche technisch-methodische Fragen beachtet werden, sonst ist vorhersehbar kein
Erfolg zu erwarten.
● Qualitätsziele: Positiv ist weiterhin anzumerken, dass im Gesetzestext explizit die Definition von Qualitätszielen gefordert wird
(§136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5), denn erst diese lassen ein so differenziertes Instrument wie P4P sinnvoll erscheinen (vgl. Darstellung
hier). Diese Ziele sollten nicht die akutmedizinische, prozedurale und sektorale Orientierung des Systems verstärken, sondern der
Behandlung und Prävention chronischer Erkrankungen sowie der Weiterentwicklung und Stärkung der Integration dienen (z.B.
aktive Beteiligung von Krankenhäusern an der Gestaltung der Integration über die Sektorgrenzen hinweg, Patientensicherheit, EDV-
Ausstattung etc.).
● Zeitnähe: Positiv ist auch die geforderte zeitliche Nähe von Qualitätserhebung und Vergütungsfolge, denn ein Feedback-
Verfahren, wozu P4P zweifelsfrei zu rechnen ist, kann nur unter dieser Bedingung funktionieren.
● Dual use: Leider unterlässt es der Gesetzgeber, Maßnahmen gegen ein dual use mit den Public Reporting-Instrumenten (z.B.
Qualitätsbericht) zu ergreifen; P4P und PR haben gegensätzliche Ansatzsatzpunkte und laufen Gefahr, sich zu neutralisieren (s. 4).
● Begriff Indikatoren: Die Hauptschwierigkeit der deutschen Qualitätsdiskussion tritt im Gebrauch der Begriffe
“Bewertungskriterien” (§136b Abs. 9 Satz 3) und “Qualitätsindikatoren” (z.B. §136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5) zutage. Wie an anderer
Stelle ausgeführt (hier mehr), lässt sich Qualität nicht direkt 1:1 “messen”, sondern man arbeitet mit der Vorhersage von negativen
Ergebnissen durch Indikatoren (s. JCAHO 1991). Diese Indikatoren sind sensitiv eingestellt, weil unerwünschte Ereignisse und
Verläufe nicht übersehen werden sollen (zum Begriff der daraus resultierenden ”intrinsischen Ungerechtigkeit” von Indikatoren s.
hier).
● Sog. Exzellenz-Indikatoren: Dieser Gesichtspunkt gibt auch Anlass, über den gleichzeitigen Einsatz von Indikatoren für
“exzellente Qualität” und “unzulängliche Qualität” nachzudenken. Richtig ist, dass es im internationalen Gebrauch (z.B. Value-based
Purchasing in den USA) durchaus üblich ist, Häuser mit hoher Performance zu belohnen, jedoch werden hierzu ebenfalls die
Problem-bezogenen Qualitätsindikatoren klassischen Zuschnitts verwendet. Die sog. “Exzellenz-Indikatoren” müssen in diesem
Zusammenhang als deutscher Sonderweg erscheinen - warum nicht, es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass dieses
Vorgehen aus statistischen Gründen nicht unproblematisch ist, denn sog. Exzellenz-Indikatoren müssten i.Ggs. zu genuinen
Qualitätsindikatoren spezifisch eingestellt werden (damit eine “Belohnung” nicht fälschlicherweise verteilt wird). Eine Fehljustierung
des gesamten Indikatorenkonzeptes ist nicht auszuschließen.
● Kompetenzverteilung: Unklar, schwer verständlich und in jedem Fall in hohem Maße auf verschiedene Ebenen verteilt ist die
Kompetenzverteilung.
► Deutlich wird hervorgehoben, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Leistungsbereiche und Indikatoren sowie das
“Verfahren, das den Krankenkassen und den Krankenhäusern ermöglicht, auf der Grundlage der beschlossenen Festlegungen
Qualitätszuschläge für außerordentlich gute und Qualitätsabschläge für unzureichende Leistungen zu vereinbaren”, festlegt
(§136b Abs. 9).
► Nach §9 Abs. 1a Satz 1 Nr. 4 KHEntgG vereinbaren die “Vertragsparteien auf Bundesebene” bis zum 30. Juni 2017 die
“Höhe und die nähere Ausgestaltung von Qualitätszu- und -abschlägen für außerordentlich gute und unzureichende Qualität
von Leistungen oder Leistungsbereichen auf der Grundlage der Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses nach §
136b Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 und Absatz 9 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch...”, hier sind als SPiBu und DKG am
Zug.
► Umgesetzt soll das Ganze dann aber wohl vor Ort, nach KHEntgG §5 Abs. 3a [neu] vereinbaren “die Vertragspartner nach
§11” [des KHEntgG: ”Vereinbarung für das einzelne Krankenhaus”, hier Bezug auf §18 Abs. 2 KHG (”Parteien der
Pflegesatzvereinbarung”), d. Verf.] “unter Berücksichtigung begründeter Besonderheiten im Krankenhaus für Leistungen oder
Leistungsbereiche mit außerordentlich guter oder unzureichender Qualität auf der Grundlage der Bewertungskriterien und
Auswertungsergebnisse nach § 136b Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 und Absatz 9 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch einen
Qualitätszu- oder -abschlag nach § 9 Absatz 1a Nummer 4”. Lt. Begründung sollen die Vertragspartner vor Ort auf der Basis
der GBA-Bewertungskriterien und der regelmäßigen einrichtungsbezogenen Datenauswertung konsentieren, “... ob zukünftig
Qualitätszu- oder - abschläge anzuwenden sind. Sie haben dazu unter Anwendung der Bewertungskriterien des G-BA und der
Auswertungsergebnisse für das einzelne Krankenhaus zu prüfen, ob im jeweiligen Krankenhaus Besonderheiten vorliegen, die
einen Verzicht auf die Anwendung eines Qualitätszu- oder -abschlags begründen.”
Wir haben also einen Prozess auf drei Ebenen vor uns: GBA für die Indikatoren und Leistungsbereiche, Spitzenverbände auf
Bundesebene für die “nähere Ausgestaltung” und die Ebene vor Ort für die Frage, ob die Indikatoren zur Anwendung kommen. Man
kann sich kaum vorstellen - bei nur geringster Kenntnis des Systems - dass sich aus dieser Verteilung der Komptenzen ein
gangbares Verfahren entwickeln kann.
● Routinedaten: Kritisch ist weiterhin der Rekurs auf Routinedaten (s. Begründung §136b) zu sehen. Wie die internationale und
auch deutsche Literatur eindeutig ergibt, sind diese für Zwecke der Qualitätssicherung nicht sensitiv genug (allerdings sehr
interessant für Validierungs- und explorative Zwecke; mehr). Das Hauptproblem der Verwendung von Routinedaten besteht
einerseits in der schwachen Reliabilität, da die Dokumentation starken Anreizen hinsichtlich der Vergütungsrelevanz ausgesetzt ist
(z.B. Dekubitus), andererseits sind sie aber auch nicht sensitiv, denn sie erfassen z.B. Komplikationen immer nur insoweit, als dass
sie vergütungsrelevant sind. Außerdem favorisieren sie automatisch die Verwendung von Ergebnisindikatoren, die u.a. wegen der
Problematik der (ebenfalls Routinedaten-gestützten) Risikoadjustierung und der Benachteiligung kleinerer Häuser abzulehnen sind,
und fördern die Anbieterorientierung der Versorgung, während aus Patientensicht eher Prozessindikatoren z.B. zu Fragen der
Koordination interessant sind.
● Mengenanreiz: Es kann gar nicht genügend betont werden, dass eine potentielle “Nebenwirkung” von P4P in der Verstärkung
des in fallpauschalierten Vergütungssystemen sowieso schon dominanten Mengenanreizes liegt (Attraktion leichter Fälle,
Beeinflussung der Risikoadjustierung durch “aktives Controlling” etc.), insbesondere wenn Ergebnisindikatoren bei
Krankheitsbildern mit möglicher Mengenausweitung verwendet werden. Dieser Punkt leitet über zu einem ganz entscheidenden
Vorhaben des Gesetzentwurfes, nämlich der weiteren Mengenausdehnung Herr zu werden.
3. Eindämmung des Mengenanreizes
Gerade im Zusammenhang mit der Qualitäts-orientierten Vergütung (Slogan: “Wir finanzieren eher Qualität als Menge”) und der
Qualitäts-orientierten Krankenhausplanung stellt die fortbestehende Mengenproblematik eine der größten Herausforderungen der
gegenwärtigen Gesundheitspolitik dar - ist doch eine durch
Fehlanreize des Vergütungssystems bedingte
Mengenausweitung ein erhebliches Qualitätsproblem im Sinne
der Überversorgung. Die Situation ist ja äußerst
widersprüchlich: einerseits sind Mengenanreize - gerade in
sektoral organisierten Gesundheitssystemen - pauschalierten
Vergütungssystemen wie DRG inhärent, andererseits stellen
Pauschalierung und Regelungen zur Zentralisierung der
Versorgung wie z.B. Zentrumsbildung, Schließung kleiner
Krankenhäuser und Mindestmengen-Regelungen wichtige
Elemente zur Weiterentwicklung des Systems dar. Auch sind
Instrumente der Qualitätsverbesserung auf Systemebene wie
Public Reporting und P4P nicht frei von Mengenanreizen,
insbesondere hinsichtlich der Einbeziehung leichter Fälle der
Elektivversorgung und bei Nutzung von Ergebnisindikatoren.
Vielleicht liegt hier einer der schwächste Punkte des
vorliegenden Gesetzesentwurfes, da der Gesetzgeber doch dem
sektoralen Horizont verhaftet bleibt und die notwendige Weiterentwicklung zu Populations-bezogenen Versorgungsansätzen scheut,
auch wenn z.B. der Strukturfonds einen Ansatz zu integrierten Versorgungszentren bietet (s.u.). Der Gesetzesentwurf zum KHSG
versucht, auf vier Ebenen in die genannte Dynamik einzugreifen:
● In Erweiterung der vorbestehenden Regelungen werden die Vertragsparteien auf Bundesebene in der Neufassung des §17b
Abs. 1 Satz 5 und 6 KHG nun verpflichtet, “Leistungen mit eingetretenen oder zu erwartenden wirtschaftlich begründeten
Fallzahlsteigerungen gezielt abzusenken oder abzustaffeln” (Text Begründung), soweit „wirtschaftlich begründete
Fallzahlsteigerungen“ oder eine „systematische Übervergütung der Sachkostenanteile“ vorliegen. Bis zum 31.5.2016 haben die
Vertragsparteien hierzu einen Vorschlag zu erarbeiten, der bereits für die Kalkulation der Bewertungsrelationen für 2017 zu
berücksichtigen ist.
● Bei der Vereinbarung von Mehrleistungen muss ab 2017 ein Abschlag in Höhe der veranschlagten Fixkosten der zusätzlichen
Leistungen berücksichtigt werden, dessen Höhe von den Vertragsparteien bis zum 30.9.2016 konsentiert werden muss (sog.
Fixkostendegressionsabschlag nach §10 Abs. 13 [neu] KHEntgG).
● Auf der Basis einer vertieften Kalkulationsbasis bei der DRG-Kalkulation haben die Vertragsparteien auf Bundesebene (DKG,
Kassen, PKV) durch das INEG bis zum 30.6.2015 ein “Konzept für sachgerechte Korrekturen der Bewertungsrelationen der
kalkulierten DRGFallpauschalen” zu erarbeiten, um Vergütungsfehlanreize durch sinkende Sachkosten bei gleichzeitig steigenden
Landesbasisfallwerten zu vermeiden (§17b Abs. 1 Satz 6 KHG).
● Auf Ebene der arbeitsvertraglichen Regelungen auf Chefarztebene soll in Verschärfung der bisherigen Vorschrift der
Mengenanreiz relativiert werden, indem die DKG im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer Formulierungshilfen erstellt, durch
die “Zielvereinbarungen ausgeschlossen sind, die auf finanzielle Anreize insbesondere für einzelne Leistungen, Leistungsmengen,
Leistungskomplexe oder Messgrößen hierfür abstellen, welche die Unabhängigkeit medizinischer Entscheidungen gefährden”
(§135c [neu]).
Es ist äußerst fraglich, ob diese Regelungen - so sehr die Player auch an die Hand genommen werden - wirklich ausreichen, um
den bestehenden ökonomischen Anreiz zu neutralisieren. Die Präzisierung der Vergütungsregelungen zielt zwar in die richtige
Richtung, es ist allerdings höchst unwahrscheinlich, dass mehr dabei herauskommt, als dass der ökonomische Anreiz genauer
bezeichnet wird, gleichzeitig aber in vollem Umfang bestehen bleibt.
4. Qualitätsverträge - Selektivverträge
Der Gesetzgeber hat die Absicht, parallel zur Qualitäts-orientierten Vergütung (P4P) die sog. “Qualitätsverträge” nach §110a [neu]
SGB V einzuführen. Dabei handelt es sich schon rein sprachlich um ein schwieriges Unterfangen, denn die Qualitätsverträge
werden nicht nur oft mit P4P in einen Topf geworfen, sondern laufen wegen ihrer selektivvertraglichen Natur Gefahr, von Gegnern
einer gestärkten Verhandlungsmacht der Krankenkassen als reiner Euphimismus denunziert zu werden, sogar schlimmer noch: der
Argumentation Vorschub zu leisten, dass wieder einmal der Begriff der Qualität zu Strukturveränderungen mit Verschlechterung der
Position der Leistungserbringer missbraucht wird.
Die Vorlaufzeit war relativ lang, bereits nach den Vorstellungen des Eckpunktepapiers zur Krankenhausreform sollten
Qualitätsverträge für vier Diagnosen ermöglicht werden, und auch der Koalitionsvertrag hat sich auf deren Einführung festgelegt.
Inhaltlich stehen sie in engem Zusammenhang zum VSG und der dort verankerten Neufassung des §140a mit der sog.
Besonderen Versorgung, die im Vergleich zur vorbestehenden Regelung einer stärkeren Betonung der selektivvertraglichen
Komponente im Vergleich zur Integrationskomponente entspricht. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Regelungen, die auch
hier - ähnlich wie bei den Regelungen zu P4P - eine weit gespreizte Kompetenzvereilung vorsehen:
● Der GBA hat bis zum 31.7.2016 “vier Leistungen oder Leistungsbereiche, zu denen Verträge nach § 110a mit Anreizen für die
Einhaltung besonderer Qualitätsanforderungen erprobt werden sollen ...” zu bestimmen (§136b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 8) und
soll das IQTiG beauftragen, die Auswirkungen im Vergleich zu Krankenhäusern ohne Vertrag zu untersuchen. In der Begründung
wird von “Modellcharakter” gesprochen und hervorgehoben, dass es besonders wichtig sei, solche Leistungen oder -bereiche für
§110a auszuwählen, bei denen keine andere Qualitätssicherungsmaßnahmen im Gange sind.
● Für den Inhalt der Verträge werden Rahmenvorgaben auf Bundesebene vorgegeben: “Der Spitzenverband Bund der
Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft vereinbaren für die Qualitätsverträge nach Absatz 1 bis spätestens zum
31. Dezember 2016 die verbindlichen Rahmenvorgaben für den Inhalt der Verträge” (§110a Abs. 2 Satz 1).
● Vor Ort “sollen” nach §110a Abs. 1 Satz 1 die “Krankenkassen (...) zu den vom Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 136b
Absatz 1 Nummer 4 festgelegten Leistungen oder Leistungsbereichen mit dem Krankenhausträger Verträge schließen zur
Förderung einer qualitativ hochwertigen stationären Versorgung (Qualitätsverträge)”. Weiter wird ausgeführt: “Ziel der
Qualitätsverträge ist die Erprobung, inwieweit sich eine weitere Verbesserung der Versorgung mit stationären
Behandlungsleistungen, insbesondere durch die Vereinbarung von Anreizen sowie höherwertigen Qualitätsanforderungen erreichen
lässt” (Satz 2).
Es handelt sich also um selektivvertragliche Regelungen mit besonderer Betonung der Qualitätsverbesserung, die durch diese
Verträge erreicht werden kann - oder ausbleibt. Diese Vermengung von lokalen/betriebswirtschaftlichen und übergeordneten Zielen
ist interessant, in der Begründung wird der Modell- bzw. Evaluationscharakter sogar als Grund für die Evaluation der
Qualitätsauswirkungen angegeben: “Für eine anschließende Evaluierung sind die Qualitätsverträge nach Satz 2 bis zum 31.
Dezember 2020 zu befristen. Der G-BA hat das Institut nach § 137a mit der Untersuchung zur Entwicklung der Versorgungsqualität
bei den festgelegten Leistungen und Leistungsbereichen gemäß § 136b Absatz 8 Satz 2 zu beauftragen.”
Man kann es auch anders sagen: die Einführung selektivvertraglicher Regelungen im Krankenhausbereich wird abgesichert durch
eine besondere Betonung der Qualitätsaspekte, ein weiteres Beispiel für die großen Erwartungen, die auf der Qualitätsfrage lasten.
Und hoffentlich durch eine wissenschaftlich hochwertige Studienplanung und Auswertung des IQTiG zu einer tragfähigen Antwort
fortentwickelt werden - man möchte dem IQTiG genügend wissenschaftliche Expertise für eine derart weitgehende Fragestellung
wünschen.
5. Mindestmengen
Die Mindestmengenregelung, zuerst eingeführt im Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003, ist eines der
Dauerbrenner im deutschen Gesundheitssystem und gleichzeitig einer der Punkte, durch deren Versagen und Nichtbeachtung im
höchsten Maße Qualitätsdefizite verursacht bzw. verantwortet werden (zur ausführlichen Darstellung s. (7)). Es handelt sich bei den
Mindestmengen um einen typischen, sensitiv eingestellten Qualitätsindikator, international breit angewendet, der als ein gutes
Beispiel für die “intrinsische Ungerechtigkeit” eines Indikators dienen kann, der in erster Linie ungenügende Leistungen
identifizieren soll, in zweiter Linie aber aufgrund seiner sensitiven Einstellung auch Leistungserbringer von der Versorgung
ausschließt, bei denen trotz eines Ansprechen des Indikators die Qualität der Leistung gut oder zufriedenstellend ist (s. hier). Der
Grund liegt darin, dass es für zahlreiche Leistungsbereiche zwar einen Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Qualität
belegt ist, aber keine wissenschaftliche Evidenz für einen klaren Cut off existiert - wie in Kenntnis der Sachlage auch nicht anders
zu erwarten. In der Konsequenz ist die Einführung von Grenzwerten bei Mindestmengen also ein dezidiert politischer Eingriff, mit
dessen Umsetzung der damit beauftragte GBA in der Vergangenheit hoffnungslos überfordert war.
Aktuell hat die Mindestmengenproblematik im Zusammenhang mit der Qualitäts-orientierten Krankenhausplanung eine noch
verstärkte Bedeutung erhalten. Da aus politischen Gründen (Machtverlust) den für die Krankenhausplanung zuständigen
Bundesländern bei der Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung hin zu einem mehr integrativen Geschehen die Hände
gebunden sind, führt das Ausbleiben stringenter Mindesmengenvorgaben auf Bundesebene zu einer Blockade des Geschehens.
Erst wirksame Mindestmengenregelungen können zusammen mit adäquaten Überlegungen zur Zugangsproblematik (s.u.) einen
Handlungsrahmen schaffen, in dem die Bundesländer (in Befolgung bundesweiter Regelungen) wieder handlungsfähig werden und
den dringend notwendigen Strukturwandel von einer starr-sektorierten Versorgung zu einer integrierten und populationsbezogenen
Versorgung gestalten können. Derzeit ist aufgrund der politischen Situation wahrscheinlich auf lange Sicht die einzigartige Situation
gegeben, dass man hier weiter vorankommt.
Die jetzt angestrebte Regelung zu den Mindestmengen ist im Aufgabenkatalog des neuen §136b enthalten (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2)
und erhält wie zuvor den Begriff der “planbaren Leistung”, jedoch ohne den Hinweis, dass der Zusammenhang zwischen Qualität
und Menge der erbrachten Leistung “in besonderem Maße” vorliegen muss. Interessant ist die Gesetzesbegründung, in der nicht
nur die höchstrichterliche Rechtsprechung der letzten Jahre integriert, sondern darauf bezugnehmend auch die oben genannte
Grenzwert-Problematik reflektiert wird:
es “liegt eine Abhängigkeit der Behandlungsqualität von der erbrachten Leistungsmenge vor, wenn bei einer hoch komplexen
Leistung ein nach wissenschaftlichen Maßstäben wahrscheinlicher Zusammenhang belegt werden kann. Dies ist
insbesondere dann der Fall, wenn eine Studienlage besteht, die auf einen Zusammenhang zwischen Menge und Qualität
hinweist. Ein vollbeweisender Kausalzusammenhang zwischen Leistungsmenge und Ergebnisqualität ist ausdrücklich nicht
erforderlich (...). Neben wissenschaftlichen Studien können für die Ermittlung eines Zusammenhangs zwischen Menge und
Qualität auch andere Quellen, aus denen Informationen zu relevanten Aspekten sichtbar werden, herangezogen werden.”
Weiterhin bezieht sich die Regelung entweder auf den Arzt oder den Standort oder beide gleichzeitig, so dass “bei der
Wissensgenerierung die gesamte Bandbreite von Studienergebnissen und anderweitigen Erkenntnissen, die auf einen
Zusammenhang zwischen Menge und Qualität hinweisen, zu nutzen ist” (Begründung). Es wird in Zukunft also etwas leichter sein,
zu auch sozialrechtlich durchsetzbaren Regelungen zu kommen.
Für die Tatsache, dass das BMG der Mindestmengenregelung in der jetzigen Situation eine hohe Priorität zuweist, spricht
ebenfalls, dass im zentralen §136b (”Beschlüsse des GBA zur Qualitätssicherung im Krankenhaus”) in seiner neuen Fassung hierzu
weitere drei Absätze enthalten sind. In Abs. 3 wird näher auf die Umsetzung eingegangen (Übergangsregelungen und
Ausnahmetatbestände, insbesondere für Einrichtungen unterhalb der Mindestmenge mit hoher Qualität (Spezifität!)) und dem BMG
eine Aufsichtsfunktion zugebilligt (über die Integration in die Verfahrensordnung des GBA), eine aufgrund der Erfahrungen der
letzten Jahre wahrhaft kluge Regelung. Abs. 4 regelt den Vergütungsausschluss und insbesondere die jährliche Darlegungspflicht
des Krankenhausträgers, dass “aufgrund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen” (Satz 3) die Mindestmenge erreicht wird, was
“in der Regel” der Fall ist, wenn diese im Vorjahr erreicht wurde (Satz 4). Die sozialgerichtliche Klärung ist zugelassen. In Abs. 5
wird die Länderebene einbezogen und ihr das Recht zugesprochen, zur “Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung“ auf
Antrag des Krankenhauses dieses von der Mindestmengenregelung auszunehmen. Diese Regelung erscheint im Lichte der “Re-
Aktivierung” der krankenhaus- und versorgungsplanerischen Kompetenz der Länder sinnvoll.
Kein Zweifel, diese Regelungen stellen einen deutlichen Fortschritt gegenüber den vorbestehenden Bestimmungen dar. Der
Gesetzgeber auf Bundesebene hat das Heft des Handelns an diesem zentralen Punkt der weiteren Entwicklung wieder in die Hand
genommen (oder wird es in die Hand genommen haben, wenn diese Regelungen die parlamentarischen Beratungen unbeschadet
übersehen sollte) und somit der Krankenhausplanung bzw. modernen Ansätzen einer integrierten Versorgung neue
Handlungsoptionen eröffnet, gerade auch im Hinblick auf die Handlungsansätze der Bundesländer.
6. Zugangsindikatoren
Als weiteres Thema, ohne das eine Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung und überhaupt der Gesundheitsversorgung
nicht denkbar ist, besteht in der Entwicklung von Zugangsindikatoren (Access-Indicators). Bereits im Eckpunktepapier hatte man
unter Punkt 1.8. im Rahmen der “erreichbarkeitsorientierten Versorgungsplanung” hierauf Bezug genommen, auch der
Sachverständigenrat hat sich in früheren Gutachten der Thematik angenommen (9). Wie an anderer Stelle bereits ausgeführt (8),
können die auf eine Zentralisierung zielenden Anreize der heutigen Vergütung (z.B. Skaleneffekte der fallpauschalierten Vergütung,
Zentrenbildung, Mindestmengen etc.) nur dann zu einer ausgewogenen Umstruktrierung der Versorgung führen, wenn sie mit
nachvollziehbaren Regelungen zum Zugang ins Gleichgewicht gebracht werden (8).
Beide Tendenzen - Zentralisierung und Zugangsproblematik - laufen für jedes Krankheitsbild differenziert ab, denn so wie die
Zentralisierungsbestrebungen auf dem Gebiet der Transplantationsmedizin anderen Gesetzen gehorchen als die der
unfallchirurgischen Versorgung, so ist auch der Zugang zur Versorgung für die Unfallchirurgie eine andere Sache als die zur
Transplantationsmedizin. Die Spannung zwischen diesen beiden Entwicklungen stellt die Grundlage für eine sinnvolle
Krankenhausplanung dar, nur leider ist die Seite der Zentralisierungstendenz durch die unvollständige Umsetzung des
Mindestmengen-Indikators (s.o.) bisher fast außer Kraft gesetzt, so dass der Strukturwandel keine Dynamik mehr zeigt. Hinzu
kommt der unglückliche Umstand, dass die beiden gegenläufigen Tendenzen sich einerseits in der Hand der Bundespolitik befinden
(Mindestmengen), andererseits auf der Länderseite verortet sind (Krankenhausplan und Investitionen). Dabei brauchen beide
Seiten einander dringend, denn aus Sicht der Bundespolitik ist die regionale Versorgung schon aus Gründen der Entfernung nicht
umsetzbar, und aus Sicht der Länder ist es politisch sehr schwierig, Einschnitte in das „eigene“ Krankenhauswesen gegenüber der
Öffentlichkeit durchzusetzen.
Der Indikator bzw. die Indikatoren-Gruppe „Zugang zur Versorgung“ hat eine geographische, eine soziale, eine Angebots- und
eine Patientendimension (8). Meist steht die geographische Dimension im Vordergrund, und in dieser Hinsicht erscheint die
Zugangsproblematik in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zunächst als nur gering ausgeprägt. Allerdings geben in
internationalen Vergleichsuntersuchungen 20 bis 30% der Patienten an, sie hätten Wartezeiten auf einen Arztkontakt von mehr als 5
Tagen, speziell bei Facharztterminen, und der Zugang sei auch aus finanziellen Gründen erschwert. Bei GKV-Versicherten zeigt
sich gegenüber Privatversicherten eine Verlängerung der Wartezeit auf einen Facharzttermin um den Faktor 3 - die
Zugangsproblematik in ihrer sozialen bzw. Angebots-Dimension. So ist es nicht überraschend, dass sich die ersten expliziten
Regelungen zum Zugang im Versorgungsstärkungsgesetz in den Vorgaben zu den Terminstellen finden (§75 Abs. 1a, VSG).
In der gegenwärtigen Gesetzesinitiative (KHSG) wird die Zugangsproblematik im neuen §136c “Beschlüsse des GBA zu
Qualitätssicherung und Krankenhausplanung” angesprochen, und zwar über die Sicherstellungszuschläge für Krankenhäuser in
Regionen geringen Behandlungsbedarfs. Neben den Regelungen zur Notfallversorgung (Abs. 4) wird hier die Erreichbarkeit in
Abs. 3 in die Krankenhausplanung eingeführt, indem der GBA verpflichtet wird, “bundeseinheitliche Vorgaben für die Vereinbarung
von Sicherstellungszuschlägen nach § 17b Absatz 1a Nummer 6 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes in Verbindung mit § 5
Absatz 2 des Krankenhausentgeltgesetzes” zu konsentieren (§136c Abs. 3 Satz 2). “Der Gemeinsame Bundesausschuss hat
insbesondere Vorgaben zu beschließen
1. zur Erreichbarkeit (Minutenwerte) für die Prüfung, ob die Leistungen durch ein anderes geeignetes Krankenhaus, das die
Leistungsart erbringt, ohne Zuschlag erbracht werden können,
2. wann ein geringer Versorgungsbedarf besteht und
3. für welche Leistungen die notwendige Vorhaltung für die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist” (Satz 3).
Die Begründung führt weiter aus: “Die Vorgaben müssen so ausgestaltet sein, dass sie regionalen Besonderheiten, die die
Erreichbarkeit beeinflussen (z. B. Topographie, Verkehrsinfrastruktur und -lage), hinreichend Rechnung tragen.” Ein
Sicherstellungszuschlag soll nur gezahlt werden, wenn die Defizite des Krankenhauses auf den geringen Versorgungsdarf
zurückgehen und nicht die mangelnde Wirtschaftlichkeit der Krankenhausorganisation. Es handelt sich nicht um Leistungen der
unmittelbaren Notfallversorgung, sondern um Leistungen, “bei denen eine unmittelbare diagnostische oder therapeutische
Versorgung notwendig ist” (Begründung). Der GBA soll (auch dieses) Problem lösen - dringend notwendig wäre es.
7. Qualitätsorientierte Krankenhausplanung
Die in Punkt 5 und 6 angespochenen Regelungen der Mindestmengen und der Zugangsindikatoren bilden die Grundlage für eine
zukunftsfeste Weiterentwicklung der Krankenhausplanung, wobei viele Fragen noch ungeklärt bleiben. Es darf nicht aus dem Blick
geraten, dass die beabsichtigten neuen Regelungen zur Qualitäts-orientierten Krankenhausplanung mit Sicherheit die
weitgehensten Änderungen darstellen, denen sich das Krankenhauswesen in Deutschland seit Einführung der DRG vor eineinhalb
Jahrzehnten gegenübersieht.
Der Hintergrund ist klar: Die Krankenhausplanung in Deutschland befindet sich im Umbruch. Im Gegensatz zur
Krankenhausfinanzierung befindet sich die Planung einschließlich der Investitionen in der Hand der Bundesländer, die zunehmend
statt der Planung von Krankenhausbetten die Planung von Fällen in den Mittelpunkt stellen. So formuliert der Krankenhausplan
2015 von Nordrhein-Westfalen neben Bedarfsgerechtigkeit, Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit, Erreichbarkeit und Trägervielfalt
unter „besondere Ziele“ das Kriterium „Versorgungsqualität“ und bezieht sich dabei auf die Strukturqualität (z.B. Facharztstandard)
sowie Leitlinien der Fachgesellschaften (z.B. Schlaganfall-, kardiologische und Traumaversorgung). Auch die Bundesebene ist im
Boot: im Koalitionsvertrag der Großen Koalition in Berlin vom 23.11.2013 findet sich der Satz „Qualität wird als weiteres Kriterium für
Entscheidungen der Krankenhausplanung gesetzlich eingeführt (§ 1 KHG).“ Die wichtigste Voraussetzung für die jetzigen
Regelungen fanden sich dann im Eckpunktepapier zur Krankenhausreform vom 5.12.2014:
● es wird konsentiert, dass die Weiterentwicklung des Krankenhaussektors nur gemeinsam von Ländern und Bund möglich ist
(z.B. Beteiligung der Länder an den entsprechenden GBA-Beschlussfassungen (Punkt 1.7.), wie auch im VSG vorgesehen), und
● Qualität soll in der Krankenhausplanung eine wichtige Rolle spielen, sie werden in §1 des KHG als Grundlage für
Entscheidungsprozesse auf Landesebene aufgenommen wird (1.1.) und “planungsrelevante Indikatoren” (ein neuer Terminus)
wird für die Bereiche der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität entwickelt (Aufgabe des GBA, 1.1.).
Auf den ersten Blick ist die Absicht, Qualitätsparameter in die Krankenhausplanung einzuführen, begrüßenswert, erscheint dieser
Zugang doch sehr viel sinnvoller als die statische Planung von Fachabteilungsbetten oder von Fällen ohne jedwelche
Differenzierung. Allerdings ist doch erhebliche Skepsis angebracht, denn zu allervorderst ist ja die Frage zu klären, ob die Thematik
„Qualitäts-orientierte Krankenhausplanung“ überhaupt sinnvoll gewählt ist - oder muss angesichts des Versorgungsbedarfs
zwangsläufig eine „Qualitäts-orientierte Versorgungsplanung“ angegangen werden, die nicht mehr nur den stationären Sektor,
sondern das ganze Versorgungsgeschehen einer Region in den Blick nimmt. Dahinter steht also die Frage, ob die Sektor-bezogene
Betrachtungsweise überhaupt noch sinnvoll ist und mit Qualitätsparametern eine Verbesserung der Planung unter sektoraler
Perspektive möglich ist. Wäre dies nicht der Fall, würde ähnlich wie bei einer mangelhaften Umsetzung von Pay for Performance
das Thema Qualität „verbraucht“ und für weitere Initiativen entwertet, mit unabsehbarem Schaden.
Zunächst aber zu den im KHSG angestrebten Regelungen. Führend in den jetzigen Vorschlägen im Entwurf des KHSG sind die
Erweiterungen im Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Im Einzelnen handelt es sich um folgende Bestimmungen:
● In §1 Abs. 1 des KHG wird der “Begriff der bedarfsgerechten Versorgung” durch die Zielformulierung “qualitativ hochwertige,
patienten- und bedarfsgerechte Versorgung” ersetzt. Die Länder haben diese Ziele bei der Krankenhausplanung umzusetzen. Als
“patientengerecht” (ein zentrales Qualitätskriterium) ist lt. Begründung “eine Versorgung anzusehen, die sich an den Wünschen
der Patienten orientiert, auch für die Dauer ihrer Eingliederung in die Krankenhausorganisation und der medizinischen Behandlung
als Personen mit individuellen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden.” In §8 Abs. 2 wird eine in der konkreten Planungssituation
sehr wichtige Bestimmung angefügt: “die Vielfalt der Krankenhausträger ist nur dann zu berücksichtigen, wenn die Qualität der
erbrachten Leistungen der Einrichtungen gleichwertig ist.“ Die Vielfalt der Trägerstruktur rückt Ziel der Krankenhausplanung also
deutlich nach hinten, eine conditio sine qua non, wenn eine aktive Planung beabsichtigt ist.
● In §6 “Krankenhausplanung und Investitionsprogramme” wird ein neuer Abs. 1a eingefügt, der den Begriff des
“planungsrelevanten Qualitätsindikators” kodifiziert, der “Bestandteil des Krankenhausplanes” wird, unter Maßgabe der näheren
Umsetzung der Länder. Diese planungsrelevanten Indikatoren werden vom GBA festgelegt (§136c, s.u.).
● Krankenhausplan: Plankrankenhäuser, die “nicht nur vorübergehend und in einem erheblichen Maß unzureichende Qualität
aufweisen”, dürfen “ganz oder teilweise nicht in den Krankenhausplan aufgenommen” (§8 Abs. 1a [neu]) bzw. müssen aus diesem
ausgeschlossen werden [Abs. 1b [neu]).
● Der GBA erarbeitet und beschließt - als Empfehlung an die Länder - “Qualitätsindikatoren zur Struktur- , Prozess- und
Ergebnisqualität, die als Grundlage für qualitätsorientierte Entscheidungen der Krankenhausplanung geeignet sind und nach § 6
Absatz 1a Krankenhausfinanzierungsgesetz Bestandteil des Krankenhausplans werden” (§136c Abs. 1). Die Begründung zu diesem
Absatz ist außerordentlich ausführlich und geht von der Feststellung aus: “Durch die Anwendung der Qualitätsindikatoren werden
die Länder in die Lage versetzt, bei ihren Planungsentscheidungen neben Aspekten der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit
von Krankenhäusern auch die Versorgungsqualität der Einrichtungen zu berücksichtigen.”
● Zur Gestaltung des Übergangs wird ein Strukturfonds eingerichtet (§§12-14 KHG). Die Begründung ist §12 ist deutlich: “Zweck
des Strukturfonds ist insbesondere der Abbau von Überkapazitäten, die Konzentration von stationären Versorgungsangeboten und
Standorten sowie die Umwandlung von Krankenhäusern in nicht akutstationäre örtliche Versorgungseinrichtungen; palliative
Versorgungsstrukturen sollen gefördert werden.” Dieses Vorhaben ist sicherlich sinnvoll (wenngleich ordnungspolitisch nicht über
jeden Zweifel erhaben), bedeuten jedoch nichts anderes als eine Finanzierung einer genuinen Länderaufgabe (die Begründung
sagt: “im Rahmen der Daseinsvorsorge Aufgabe der Länder”) durch die Bundesebene bzw. - noch eine offene Flanke - aus der
Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds (und nicht aus dem Steueraufkommen). Eine gleichhohe Beteiligung der Länder ist
Bedingung, so dass 2mal 500 Mio. € zusammenkommen (Verwaltung durch das Bundesversicherungsamt). Vergabekriterien und -
verfahren werden vom BMG, den Ländern und dem SpiBu festgelegt, eine erfreuliche transföderale Zusammenarbeit (Abs. 3).
Grundsätzlich ist an den Zielen wirklich nichts auszusetzen und soll hier aus der Begründung zitiert werden:
“Der notwendige Strukturwandel zum Zweck einer bedarfsgerechten Krankenhausversorgung hat sich in den vergangenen
Jahren nur langsam entwickelt. Mit den Mitteln des Strukturfonds können z. B. die Schließung von Krankenhäusern (§ 9
Absatz 2 Nummer 5) oder die Umstellung von Krankenhäusern oder Krankenhausabteilungen auf andere Aufgaben,
insbesondere zu ihrer Umwidmung in Pflegeeinrichtungen oder selbständige, organisatorisch und wirtschaftlich vom
Krankenhaus getrennte Pflegeabteilungen (§ 9 Absatz 2 Nummer 6), finanziert werden. Überzählige Kapazitäten können
weiterhin in nicht akutstationäre Versorgungseinrichtungen (Gesundheits- und Pflegezentren) umgewidmet werden. Aus dem
Fonds können neben dem Abbau bzw. der Umwidmung von Bettenkapazitäten auch strukturverbessernde
Investitionsmaßnahmen mitfinanziert werden, die die Konzentration von Krankenhausstandorten zum Ziel haben”.
Zusammenfassend soll die Weiterentwicklung des Krankenhaussektors also durch Qualitätsindikatoren und durch eine finanzielle
Unterstützung des Strukturwandels geschehen. Ähnlich wie bei der Mengenproblematik sieht man sich in einer Situation, in der der
wichtigste Fehlanreiz des zugrundeliegenden Vergütungssystems durch “weiche Faktoren” wie Qualität und (im Maßstab: geringe)
finanzielle Mittel neutralisiert werden soll. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die wichtigsten Anreize des derzeitigen
Vergütungssystems im Krankenhausbereich, dem DRG-System, einer sektoralen Optimierung gelten (Mengenausweitung,
prozedural betonte operative Medizin, Akutmedizin) und man sich das Krankheitsspektrum und die Versorgungsstrukturen, die in
Zukunft im Rahmen der Versorgung einer alternden Bevölkerung benötigt werden (Kooperation mit maximaler Integration der
Versorgung, chronische Mehrfacherkrankungen mit konservativem Schwerpunkt, Begleitung statt Eingriffs-bezogene Versorgung),
ansieht, können gewisse Zweifel nicht ausbleiben, ob die gute Absicht hinter dem gegenwärtigen Gesetzesentwurf sich wirklich
durchsetzen wird.
8. Weiterentwicklung des Qualitätsberichtes (Public Reporting) und Patientenorientierung
Patientenorientierung in Gesetze zu fassen - das ist sicher keine einfache Aufgabe. Vor einem guten Jahr wurde ein kleiner Schritt
in diese Richtung getan, als man im GKV-FQWG der “unabhängigen Institution” nach §137a SGB V (IQTiG) die Aufgabe mitgab,
auch Indikatoren zu entwickeln, die auf Patientenerfahrungen beruhen: PROMs, Patient Reported Outcome Measures, heissen
diese international (s. Vortrag und Qualität 2030). In zweierlei Hinsicht werden im Entwurf des KHSG zwei weitere “kleine” Schritte
unternommen:
● In §1 Abs. 1 des KHG wird der “Begriff der bedarfsgerechten Versorgung” durch die Zielformulierung “qualitativ hochwertige,
patienten- und bedarfsgerechte Versorgung” ersetzt (s.o.). Als “patientengerecht” ist lt. Begründung “eine Versorgung anzusehen,
die sich an den Wünschen der Patienten orientiert, auch für die Dauer ihrer Eingliederung in die Krankenhausorganisation und der
medizinischen Behandlung als Personen mit individuellen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden.”
● In § 136b Abs. 6 [neu] SGB V wird im Rahmen einer moderaten Weiterentwicklung des Qualitätsberichtes besonders auf die
Patientenerfahrungen und auf patientenrelevante Informationen eingegangen. In Satz 3 heißt es: “Ergebnisse von
Patientenbefragungen, soweit diese vom Gemeinsamen Bundesausschuss veranlasst werden, sind in den Qualitätsbericht
aufzunehmen.” Und in Satz 5 folgt zum Thema Patientenrelevanz: “In einem speziellen Berichtsteil sind die besonders
patientenrelevanten Informationen in übersichtlicher Form und in allgemein verständlicher Sprache zusammenzufassen. Besonders
patientenrelevant sind insbesondere Informationen zur Patientensicherheit und hier speziell zur Umsetzung des Risiko- und
Fehlermanagements, zu Maßnahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit, zur Einhaltung von Hygienestandards sowie zu Maßzahlen
der Personalausstattung in den Fachabteilungen des jeweiligen Hauses.”
Nicht viel, aber immerhin: Krankenhausplanung und das Instrument des Public Reporting sollen sich dieses Gesichtspunktes
annehmen.
9. Durchsetzung und Kontrolle der Qualitätsanforderungen
Dieser Punkt hat in der “Qualitätsszene” zu einiger Aufregung gesorgt, verständlich, aber im Endeffekt zu Unrecht. Es ist richtig,
dass Qualitätsentwicklung gerade im institutionellen Rahmen auf dem Begriff des Organisationslernens und nicht auf hierarchischer
Anordnung basiert. Ohne dass dieser Punkt angezweifelt werden soll, muss jedoch auch beachtet werden, dass dort, wo
Qualitätsaspekte vergütungsrelevant werden, starke Anreize für ein gaming existieren (insbes. Risikoselektion, aber auch Upcoding,
falsches Kodieren von Risikofaktoren, Tunnel-Blick auf Indikatoren etc.). Es ist daher kaum zu vermeiden, dass die Dokumentation
der Qualitätsdaten (nicht die Qualtiätsverbesserung selbst!) durch Stichproben- und andere statistische Verfahren überprüft wird,
will man nicht den Untüchtigen, die sich unredlichen Methoden bedienen, das Feld überlassen und diejenigen, die Qualitätsdefizite
zugeben und sie benennen, schaden. Dies gilt gerade auch im Zusammenhnag mit der 100%igen Dokumentationspflicht, so wie sie
im neuen §137 niedergelegt ist.
Dass der Medizinische Dienst hiermit beauftragt wird §§276 und 277), mag opportunistisch zu entscheiden sein. Dafür spricht, dass
über die Kontrolle der DRG-Kodierung hier schon eine gewisse Erfahrung besteht.
10. Zusammenfassende Beurteilung
Zunächst: Das Thema Qualität wird gefordert und tritt mitten in die Arena des gesundheitspolitischen Geschehens. Vorher noch
belächelt als ein Thema für Idealisten, Datensammler und beschränkt auf den institutionellen Rahmen des Qualitatsmanagements,
reift es jetzt zu einer Steuerungskomponente auf Systemebene. Dies als etwas anderes als einen Meilenstein zu bezeichnen, wäre
völlig unangebracht.
Aber zweitens: hoffentlich wird das Thema Qualität mit seiner neuen Rolle nicht überfordert, denn die basalen Strukturdefizite des
Systems werden nicht geändert: Fallpauschalierung, Sektorierung, Orientierung auf Akuterkrankungen und Prozeduren. Können
Instrumente zur Qualitätsverbesserung auf Systemebene die resultierenden Fehlanreize wirklich ausgleichen - oder werden sie dem
Druck nicht standhalten? Man muss hier Zweifel anmelden, zumindest so lange als dass keine klare Perspektive zur
Weiterentwicklung des Gesamtsystems vorgegeben ist.
Und drittens: die Kompetenz zur Umsetzung mit ihrer Verteilung auf den GBA, die Selbstverwaltungsverbände und dann noch auf
die Verhandlungsebene vor Ort (P4P, Qualitätsverträge, Krankenhausplanung) ist stark diversifiziert und wäre schon unter
optimalen Bedingungen starken Friktionen ausgesetzt. Es muss bezweifelt werden, dass bei der konkreten Umsetzung hier wirklich
funktionsfähige Konzepte und Umsetzungsvorgaben entwickelt werden können.
Und last not least: die zahlreichen Detailprobleme, z.B. dual use bei P4P, Routinedaten, Mengenanreiz durch Ergebnisindikatoren
und und und - wie soll der Sachverstand entwickelt bzw. fokussiert werden, um hier den richtigen Weg, für jeden der
angesprochenen Punkte, zu finden?
-------
(1) Zur weiterführenden Analyse s. M. Schrappe “Qualität 2030 - die umfassende Strategie für das Gesundheitswesen”, Berlin 2014, S. 215 ff
(Download, Bestellung)
(2) wobei die in “Qualität 2030” entwickelten Empfehlungen (Nr. 5 und folgende) an den Gesetzgeber nur in Ansätzen umgesetzt wurden, dies soll
aber die positive Beurteilung nicht schmälern (s. M. Schrappe a.a.O. S. 309 ff und Kurzfassung).
(3) s. umfassende Einschätzung zum Patientenrechtegesetz in M. Schrappe a.a.O. S. 230 ff
(4) M. Schrappe “Qualität 2030 - die umfassende Strategie für das Gesundheitswesen”, Berlin 2014, S. 189 ff und S. 331 ff (Download, Bestellung)
(5) Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Kooperation und Verantwortung. Voraussetzungen für eine
zielorientierte Gesundheitspolitik. Gutachten 2007, Band I und II, Nomos, Baden-Baden 2008, Nr. 725ff
(6) JCAHO 1991: Primer on Indicator Development and Application, Joint Commission on Accreditation of Healthcare Organizations. One
Renaissance Blvd, Oakbrook Terrace, Illinois 60181, 1991
(7) M. Schrappe “Qualität 2030 - die umfassende Strategie für das Gesundheitswesen”, Berlin 2014, S. 119 ff (Download, Bestellung)
(8) M. Schrappe “Qualität 2030 - die umfassende Strategie für das Gesundheitswesen”, Berlin 2014, S. 113 ff und im Rahmen der
Krankenhausplanung S. 316ff (Download, Bestellung)
(9) Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Kooperation und Verantwortung. Voraussetzungen für eine
zielorientierte Gesundheitspolitik. Gutachten 2007, Band I und II, Nomos, Baden-Baden 2008, Nr. 491ff
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Seite
14
Seite
Das deutsche Gesundheitswesen: Charakteristik (s. (1), hier)
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