Prof. Dr. med. Matthias Schrappe
12.06.2014 Großer Erfolg für das DNVF - Versorgungsforschung auf dem Weg zur Politikberatung
Ereignisreiche Tage in Berlin - Im “Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz” (GKV-FQWG) (im
Bundestag beschlossen am 6.5.14) wird nicht nur das GKV-Finanzvolumen um 11 Mrd. € gekürzt und den Versicherten ein
einseitiger Zusatzbeitrag auferlegt, nein es wird auch etwas zum Thema Qualität getan. Vor allem wird dem Gemeinsamen
Bundesausschuss (GBA) ein zweites Qualitätsinstitut zur Seite gestellt, das “Institut für Transparenz und Qualität im
Gesundheitswesen”, zum IQWiG gesellt sich jetzt also noch ein IQTiG. Im neuen §137a wird diesem Institut im
Wesentlichen das aufgetragen, was vorher die “unabhängige Institution”, nämlich das AQUA-Institut zu erledigen hatte - nur
dass es jetzt direkt vom GBA als private Stiftung getragen wird, mit einem Vorstand, der aus den Selbstverwaltungspartnern,
die auch den GBA tragen, plus einem BMG-Abgesandten gebildet wird. Dieses Institut hat als wichtigste Aufgabe die
Etablierung von Indikatoren für die “sektorenübergreifende Qualitätssicherung”, ergänzt um einige neue Aspekte wie z.B. die
Erarbeitung von Indikatoren, die auf Patientenerfahrungen zurückgehen, und die Bewertung von Zertifizierungsverfahren.
Keine einfache Sache, man kann sich auch reiflich darüber Gedanken machen, ob hier Aufsicht, Leitung, Auftragsvergabe
und Aufgabenerledigung in unserem allseits vernetzten governance-System nun endgültig zu sehr miteinander vermengt
sind, so dass niemand mehr durchblickt, oder anders gesagt: als dass das neue Institut wirklich unabhängig arbeiten kann.
Die gute Nachricht ist auf jeden Fall, dass das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung e.V. (DNVF), gerade mal 12 Jahre
nach seiner Gründung, zusammen mit der AWMF und den Selbstverwaltungspartnern, als “beteiligte Institution” genannt ist
(§137a ABs. 7 Nr. 8), die bei der Formulierung und Durchführung der Aufgaben dieses Institutes “beteiligt” werden soll.
Das ist für die Versorgungsforschung ein großer Schritt, da gibt es keine Frage. Kann man nur hoffen, dass das neue Institut
mit den großen Aufgaben, vor denen es steht, einen guten Start hat, und genügend Unabhängigkeit von Politik und
Selbstverwaltung, um diese auch erfolgreich zu bewältigen. Und man kann nur hoffen, dass seinerseits das DNVF diese
neue und wichtige Aufgabe gut ausfüllen kann. Jetzt ist aktive Politikberatung angesagt.
14.05.2014 Qualität kennt keine Grenzen?
Doch, doch, so schnell lässt sich der sektorale Zuschnitt unseres Gesundheitssystemes nicht auf den Müllhaufen der
Geschichte bugsieren (wo er hingehörte), auch wenn sich wieder einmal 300 Personen auf der AQUA-Qualitätskonferenz
in der Göttinger Stadthalle den Kopf zerbrochen haben, wie das denn zu bewerkstelligen wäre. GKV-FQWG heißt der
neueste Strauß, den gerade die Politik-Floristen zusammenstecken, sie meinen damit das Finanzstruktur- und
Qualitätsweiterentwicklungsgesetz, in dem zum Beispiel noch ein IQWiG enthalten ist: das Institut für Qualität und
Transparenz im Gesundheitsswesen, also das IQTiG. Wenn Du nicht mehr weiterweisst, gründe ein ... neues
Qualitätsinstitut! und im übrigen: Prosit auf die Akronyme! Dabei macht das AQUA Institut mit der externen
Qualitätssicherung hervorragende Arbeit, mit Recht wurde es einführend von Herrn Prof. Franke aus dem
Gesundheitsausschuss sehr gelobt, über den Klee gelobt - mit der schalen Gewissheit, dass es diesen Auftrag jetzt erstmal
quitt wird, denn bald haben wir ja unser IQTiG. Die Ausschreibung alle fünf Jahre soll vermieden werden, aber vor allem wird
wieder die Kontinuität unterbrochen werden, schon wieder, fünf Jahre nach dem letzten Bruch beim Übergang von der BQS
auf AQUA. Warum ist das ein Problem, könnte man fragen. Nun, sicher nicht nur, weil dann alle Methodenpapiere,
Grundsatzregelungen etc. wieder neu geschrieben werden müssen. Vor allem aber, weil die Materie schwierig ist, sehr
schwierig, das zeigte der Verlauf der Diskussion. Wir haben mehr und mehr Daten, wir haben neben den klinischen Daten
auch Routinedaten (nachdem die datenschutzrechtlichen Hürden aus dem Weg geschafft wurden), und wir haben auch mehr
und mehr “transsektorale” Daten, z.B. der emsigen Arbeit des WIDO-Institutes sei dank. Wir messen viel, aber was sagen die
ganzen Parameter eigentlich über Qualität der Versorgung? Durch die vielen Fragen aus dem Publikum wurde dieses
Dilemma deutlich: wenn ein Krankenhaus in der 90-Tage Mortalität (also fast drei Monate über die kurze stationäre
Versorgung hinaus) schlecht darsteht, wenn die 90-Tage Rate an Thrombosen schlechter aussieht als bei den Konkurrenten,
liegt das dann eigentlich noch im Bereich der Verantwortung des Krankenhauses - oder in der Verantwortung der ambulanten
Versorgung oder der Pflegeheime, die aber gar nicht verglichen werden. Und die auch - nehmen wir mal an, Pay for
Performance, die qualitätsorientierte Vergütung käme - gar nicht in den Genuss von Abschlägen oder vielleicht Zuschlägen
kommen würden. Da sind wir wieder, beim Müllhaufen der Geschichte: wenn wir die Sektorproblematik nicht angehen,
sondern stattdessen transsektorale Trostpflästerchen verteilen, die so tun, als würden wir wirklich etwas über die “integrierte
Qualität” der gesamten Versorgungskette wissen, dann sitzen wir einer völlig falschen Strategie auf. Qualität kann niemals,
wirklich niemals die angestammten Vergütungsanreize einer sektoral auf Mengenmaximierung getrimmten
Vergütungssystematik aufheben, Qualität kann nur etwas ausrichten, wenn sie im Verbund mit einer strukturellen
Weiterentwicklung des Gesamtsystems erhoben wird. Qualität kennt nämlich keine Grenzen, so verstanden.
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