Prof. Dr. med. Matthias Schrappe
10.10.2015 14. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung unter dem Titel “Systeminnovation für
eine bessere Gesundheit” vom 7.-9.10.2015 in Berlin
Systeminnovation - besser hätte man den Titel nicht wählen können, in einer Zeit, in der im ambulanten und stationären Bereich,
aber auch im Bereich der Pflege und der Prävention wahrliche Systemveränderungen diskutiert werden. In den Themenbereichen
Systeminnovationen, Bedarfsplanung, Patientenorientierung, Berufsgruppen, Methoden und Sonstiges diskutierten knapp 700
Teilnehmer drei Tage lang über die Perspektive der weiteren Entwicklung des Gesundheitssystems. Befeuert durch die
Anerkennung des Deutschen Netzwerkes Versorgungsforschung (DNVF) als beratende Institution nach §137a und durch den
Innovationsfond war richtig Musik im Spiel, Bundesgesundheitsminister Gröhe hielt eine fast schon programmatisch zu
nennende Eröffnungsrede, der Kongresspräsident Prof. Neugebauer hielt selbstbewusst das Heft in der Hand, es fand eine
Podiumsdiskussion zum Inno-Fonds statt, und der Schluss wurde durch ein “Bürgerforum” gekrönt - alles ergab eine interessante
Mischung, zu der der Veranstaltungsort, die altehrwürdige und verwinkelte Urania, noch eine gute Atmosphäre beisteuerte.
Der Kongress war derart vielgestaltig, dass es fast unmöglich ist, einen umfassenden Eindruck zu vermitteln - obwohl nach dem
Eindruck der Teilnehmer der “Grad der Parallelität” im Erträglichen blieb. Das Themenspektrum reichte von der Medizinischen
Geographie bis zur Multiprofessionalität, von der Bedarfsplanung bis zu neuen Versorgungsformen, von der Lebensqualitäts-
forschung bis zu eHealth. Ganz im Mittelpunkt standen die Versorgungs- und Koordinationsprobleme der regionalen
Versorgung (so auch in den Eröffnungsreferaten) - und die Versorgungsforschung wurde als das probate Mittel diskutiert, hier zu
Lösungsmöglichkeiten zu kommen und diese vor allem zu evaluieren. Es bleibt zu hoffen, dass dieses junge Wissenschaftsfeld
diesem Anspruch gewachsen bleibt.
Ganz besonders kam die Evaluationsproblematik natürlich in den Veranstaltungen und in der Podiumsdiskussion zum
Innovationsfonds zu Ehren. Nicht dass es zu inhaltlichen Überraschungen gekommen wäre, aber der Wille, der Evaluation von
Systeminnovationen einen hohen Stellenwert einzuräumen, war nicht zu übersehen: es muss ein “t0” geben, sagte der
Unparteiische Vorsitzende des GBA, Hecken. Das Fehlen eines Ausgangswertes, eines t0, hat schon oft zum Versagen der
Evaluationsbemühung im gesundheitspolitischen Raum geführt - weil es am Schluss ja immer so schnell gehen muss.
Natürlich waren Qualität und Sicherheit ein wichtiges Thema, der Versorgungsforschungspreis wurde an Prof. Manser und
Mitarbeiterinnen am IfPS in Bonn vergeben, und die DNVF-Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Geraedts und Prof. Drösler
arbeitet an einem entsprechenden Methodenmemorandum. Auf der entsprechenden Plenarveranstaltung stand die Frage
“Gesetzliche Qualitätssicherung - quo vadis?” im Mittelpunkt, denn wir sind nun endgültig von der institutionellen Ebene des
Qualitätsmanagements zur “Qualitätsverbesserung auf Systemebene” fortgeschritten (siehe Pay for Performance und Qualitäts-
orientierte Krankenhausplanung). Da Worte die Welt (mit)regieren: der Begriff “Qualitätssicherung” ist nicht mehr zeitgemäß und
sollte durch Qualitätsverbesserung auf Systemebene oder analoge Bezeichnungen abgelöst werden. Aber abgesehen davon,
man hatte zuweilen den Eindruck, dass die anstehenden und sehr weitgehenden Gesetzesinitiativen der jüngeren Vergangenheit
(z.B. der Kabinettsentwurf zum Krankenhausstrukturgesetz) noch nicht ganz in der wissenschaftlichen Diskussion angekommen
waren. Weitere Diskussionen und Veranstaltungen zum Themenbereich Qualität betrafen natürlich die Nutzung der Routinedaten,
allerdings wurde mancherorts eher der Datenzugang und die Datenverfügbarkeit angesprochen, und weniger die drängenden
Fragen, die man mittels dieser Methoden beantworten will. Weiterhin ging es um Core Outcome Measures, um die Peer Review-
Programme usw. Es war klar ersichtlich: der unglaubliche Aufschwung der Versorgungsforschung hat relevante Fragestellungen
und Diskussionen von den klassischen Qualitäts-Kongressen in die Veranstaltungen zur Versorgungsforschung katapultiert. Soll
man darüber klagen? wohl nicht - denn die lang gehegte Ansage, dass eine ganze Reihe von Qualitäts- und Safety-Instrumenten
noch immer der Evaluation harren, kann so ja nun endlich angegangen werden.
Es war das erste Mal, das das Deutsche Netzwerk Versorgungsforschung (DNVF) einen Versorgungsforschungskongress alleine
gestemmt hat, also ohne Mitglieds-Fachgesellschaft als Kongress-Partner, wie es in der Vergangenheit regelmäßig der Fall
gewesen war. Diese Tatsache spiegelt Mut und auch Selbstbewusstsein wieder. Wenn man sich das Ergebnis ansieht, dann kann
man klar konstatieren: diese Entscheidung war richtig, und zudem war das Thema Systeminnovation zum Start klug gewählt.
Jetzt muss die Versorgungsforschung nur noch halten, was sie verspricht. Es wird viel Übersicht und Klugheit nötig sein.
Die Vortragsfolien stehen (in einigen Tagen) auf der Webseite des DNVF (www.dnvf.de) zum Download bereit. Die eigenen Vorträge sind
außerdem hier herunterzuladen.
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