Prof. Dr. med. Matthias Schrappe
09.12.2014 Eckpunktepapier zur Krankenhaus-Reform - Bund und Länder rücken zusammen
Am 5.12.2014 hat die Bund-Länder-Kommission das Papier “Eckpunkte der Bund-Länder AG zur Krankenhausreform
2015” vorgestellt (s. BMG-Webseite). Dieses Papier macht zunächst ratlos, und umfassend interpretieren kann man es nur im
Zusammenhang mit dem Versorgungsstärkungsgesetz (s.o.). Die weitere Analyse fördert jedoch nicht nur bemerkenswerte
Details zutage, sondern macht auf einen erstaunlichen Konsens zu mehreren Punkten aufmerksam,
der wohl nur in Zeiten der Großen Koalition und unter den Bedingungen eines “gut durchmischten”
Bundesrates möglich ist:
● Es wird konsentiert, dass die Weiterentwicklung des Krankenhaussektors nur gemeinsam von
Ländern und Bund möglich ist (z.B. Beteiligung der Länder an den entsprechenden GBA-
Beschlussfassungen (1.7.), wie auch im VSG vorgesehen).
● Qualität soll in der Krankenhausplanung eine wichtige Rolle spielen, indem sie in §1 des KHG als
Grundlage für Entscheidungsprozesse auf Landesebene aufgenommen wird (1.1.) und
“planungsrelevante Indikatoren” (ein neuer Terminuis) im Bereich der Struktur-, Prozess- und
Ergebnisqualität entwickelt werden (GBA, 1.1.).
● Die Verbindlichkeit der GBA-Beschlüsse zur Qualitätssicherung soll gestärkt werden (1.2.).
● Die Problematik der Mengensteigerung wird nicht länger negiert. Die “Mengensteuerung” soll durch eine vermehrte
Berücksichtigung des Sachkostenanteils bei Mengenausweitung und durch die mittelfristige Verlagerung der
Mengensteuerung auf die Einrichtungsebene (unter Aufgabe der Kopplung an den Landesbasisfallwert) verbessert werden -
die Ausgaben sollen trotzdem konstant bleiben (Punkt 2)!
Das Eckpunktepapier enthält ein klares Bekenntnis zur Qualitäts-orientierten Vergütung bzw. P4P:
● “Hierzu ist vom Gemeinsamen Bundesausschuss bis zum 31.12.2016 zunächst ein Katalog von geeigneten Leistungen,
Qualitätszielen und Qualitätsindikatoren zu beschließen. Für die ausgewählten Leistungen sind vom G-BA regelmäßig auch
Bewertungskriterien für außerordentlich gute und unzureichende Qualität zur Verfügung zu stellen, auf deren Grundlage
Zu- und Abschläge festgelegt werden.” (Punkt 1.4. Qualitätszu- und -abschläge)
● Wie bereits im Koalitionsvertrag formuliert, sind diese Indikatoren nicht nur Vergütungs- sondern auch Planungs-relevant:
“Für den Fall, dass Qualitätsabschläge zu berechnen sind, sollen krankenhausplanerische Konsequenzen gezogen werden.”
● Klar abzugrenzen sind die “Qualitätsverträge” (1.5.), bei denen entsprechend der Regelungen im GKV-FQWG für vier
Erkrankungen die Möglichkeit von Selektivverträgen geschaffen werden soll (s.o., Versorgungsstärkungsgesetz).
Wenngleich am Begriff der Krankenhausplanung festgehalten und der dringend notwendige Wechsel zum Ziel der
Versorgungsplanung nur sehr zurückhaltend zum Thema gemacht wird, bleibt doch festzuhalten, dass
● Zentrumsstrukturen für die weitere Entwicklung als wichtig gehalten werden (Punkt 1.10.),
● Mindestmengen betont und auf Bundesebene weiterentwickelt werden sollen (1.3.),
● die Versorgungsplanung (sic!) den Begriff der Erreichbarkeit einbeziehen soll, also den Zugangs- bzw. access-Indikatoren
(s. Überschrift Punkt 1.8. “Sicherstellungszuschlag/Erreichbarkeits-orientierte Versorgungsplanung”) und
● ein Strukturfonds gebildet wird, der “die Umwandlung von Krankenhäusern in nicht akutstationäre lokale
Versorgungseinrichtungen (z. Bsp. Gesundheits- oder Pflegezentren)” fördern soll (Punkt 3).
Mindestmengen und Zugangsindikatoren sind auch im Gutachten “Qualität 2030” als zentrale Bausteine einer
Weiterentwicklung der Krankenhausplanung identifiziert worden, weil klar erkennbar ist, dass die Länder erst dann in der Lage
sind, Krankenhäuser in Richtung regionaler Versorgungskonzepte umzuwidmen und die Versorgung durch regional sowie
nach Krankheitsgruppen differenzierte Zugangsindikatoren weiterzuentwickeln, wenn auf Bundesebene durch verbindliche
Mindestmengen Handlungsdruck erzeugt wird.
Wie soll man dieses Eckpunktepapier zusammenfassend einschätzen? Nun, irgendwie hätte man sich einen größeren
Wurf gewünscht, sowohl in puncto Versorgungsplanung also auch bezüglich der Weiterentwicklung des DRG-Systems.
● Bei einer granzen Reihe von Vorschlägen muss man zweifeln, ob diese sich umsetzen lassen (Strukturfonds nur bei
Beteiligung der Länder, Zentrumsregelung auch für bestehende Versorgungsangebote, die ausgelastet werden müssen,
Verlagerung der Mengenproblematik auf die institutionelle Ebene bei gleichzeitiger Budgetneutralität, und wieder mal eine
Pflegesonderfinanzierung, die im Grunde lediglich eine reine Zusatzfinanzierung darstellt).
● Auch gibt es eine große Zahl von Detailregelungen, wie sie so typisch sind für die Gesundheitspolitik der letzten Jahre: z.B.
Verbesserungen der Qualitätsberichte (1.6.), OP-Checklisten (1.11.), Sektionen (1.13.) und Transplantationsregister (1.14.).
● Viele Vorschläge finden sich auch bereits in den Entwürfen des GKV-VSG: z.B. Beteiligung der Länder an den
entsprechenden GBA-Beschlussfassungen (1.17.), Zweitmeinungsregelung (1.12.), Nutzenbewertung der Medizinprodukte
(1.15.), Hochschulambulanzen (2.5.) und ambulante Notdienste (2.6.).
Auf der anderen Seite ist es nicht zu übersehen, dass sich Bundes- und Landesebene gemeinsam um die
Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung bemüht haben, die einzige Möglichkeit, wie dies in der bestehenden dualen
Verteilung erfolgreich sein kann. Qualität soll neben der Leistungsmenge als vergütungs-relevanter Faktor etabliert werden,
und die Krankenhausplanung soll, zumindest ist dies zwischen den Zeilen zu erkennen, in einer Versorgungsplanung aller
Sektoren überführt werden. Dies ist ein echter Fortschritt. Jetzt muss nur noch erkannt werden, dass im Detail viele Dinge
richtig und nicht vorschnell und unüberlegt umgesetzt werden müssen. Hoffen wir’s.
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