20.11.2014 “Qualität 2030 - die umfassende Strategie für das Gesundheitswesen” - Fortsetzung 4 - Instrumente zur Weiterentwicklung von Qualität und Patientensicherheit Ein solches Rahmenkonzept, das auf einer Problem-basierten Analyse des Handlungsbedarfs (s.o.) aufsetzt, kann den Schlüssel für eine sinnvolle Diskussion der Instrumente zur Qualitätsverbesserung bilden, insbesondere kann auf dieser Basis auch eine Abschätzung der möglichen Effekte und der Rahmenbedingungen für einen sinnvollen Einsatz dieser Instrumente vorgenommen werden. Es geht hierbei nicht allein darum, etwaige positive Effekte zu antizipieren und nachzuweisen, sondern auch um die Notwendigkeit, gerade auch die politische Ebene vor übersteigerten Erwartungen zu schützen. Um ein Beispiel zu nennen: es ist nicht sinnvoll, über weitere Qualitätsanreize nachzudenken, wenn die sektorale Beschränktheit eines DRG-Systemes bestehen bleibt und nicht in Richtung einer Populations-orientierten Finanzierung überwunden wird, denn unsere hauptsächlichen Qualitäts-Probleme bestehen nicht in einer weiteren sektoralen Optimierung, sondern in der mangelnden Integration und Koordination der Versorgung. Auch andere Sachfragen, die in Deutschland als vermeintliche Kernprobleme diskutiert werden, erlangen vor diesem Hintergrund einen ganz anderen Stellenwert. Die Frage Ergebnis- vs. Prozessindikatoren ist zum Beispiel relativ eindeutig zu beantworten, wenn es nicht mehr primär um operative Elektiveingriffe geht, sondern um die Problematik der Koordination. Man braucht hierfür eben vermehrt Indikatoren für die „Prozesse“ dieser Behandlungskoordination chronischer Mehrfach- erkrankungen und nicht (ausschließlich) Ergebnisindikatoren, insbesondere auch weil sie unerwünschte Ereignisse vorhersehen und so der rechtzeitigen Prävention zugänglich machen. Ergebnisindikatoren messen ex post (das Kind ist in den Brunnen gefallen) und können den DRG-spezifischen Mengenanreiz mit Attrakton leichter Fälle noch verstärken - ganz abgesehen von der Problematik der Risikoadjustierung und der resultierenden Bildung kleiner Gruppen sowie systematischen Benachteiligung kleiner Einrichtungen. Administrative Daten, die sowieso durch ihre geringe Sensitivität für eine sinnvolle Beschreibung von Qualität kompromittiert sind (sie erfassen selten mehr als 50% der Probleme), sind erstmal auf die Leistungserbringer bezogen – wenn wir die Patienten-Perspektive einnehmen wollen (und das sollten wir), dann sind klinische Indikatoren und solche, die die Zusammenarbeit der Leistungserbringer beschreiben (wann kommt der Arztbrief, wie gelingt die Arzneimittelversorgung am Wochenende nach der Entlassung aus dem Krankenhaus) viel wichtiger. Und es gibt sehr gute Beispiele dafür, dass man mit klinischen Surveillance-Instrumenten hervorragend umgehen kann, denn im Bereich der Infektionsepidemiologie wird weltweit seit über 30 Jahren mit solchen Methoden gearbeitet, international aufeinander abgestimmt, vergleichbar und stabil. Hinsichtlich Qualitätsdarstellung, Transparenz und Qualitätsberichterstattung (Public Reporting) stehen drei grundsätzliche Änderungen auf der Tagesordnung, die sich aus den „fünf Zielen“ und den drei Qualitätsdimensionen ergeben: ● wir müssen das Spektrum der Indikatoren erweitern und die Koordinationsperspektive in den Vordergrund stellen (und somit, wie international üblich, den Prozessindikatoren mehr Raum geben), ● wir müssen stabile Falldefinitionen bilden (um den Einsatz der partiell blinden Routine-Indikatoren zu vermeiden), ● und wir müssen die Anbieter-bezogenen Indikatoren zu Versorgungs-orientierten Indikatoren weiterentwickeln. In Zukunft brauchen wir Aussagen über die Qualität einer Region, nicht mehr allein eines Krankenhauses. Und diese area- Indikatoren können sogar einen sehr weiten Blickwinkel aufweisen, der im Falle von Antibiotikaresistenzen von der Antibiotika- Visite auf der Intensivstation über das Gesundheitszentrum und die Pflegeeinrichtung bis zur Antibiotika-Anwendung im benachbarten landwirtschaftlichen Großbetrieb reichen kann. In Abgrenzung zu Pay for Performance ist zu beachten, dass Public Reporting, das auf indirekten ökonomischen Anreizen beruht, besonders in hoch kompetitiven Regionen wirksam ist und außerdem einen aktiven, zum Dissenz befähigten Patienten voraussetzt. Beide Aspekte lassen es ratsam erscheinen, in weniger dicht besiedelten Regionen und bei älteren, eventuell passiv eingestellten Patienten auf eine dadurch verursachte Verschlechterung der Versorgung zu achten. In diesem Zusammenhang wird sich auch die bisherige Krankenhausplanung ändern und in eine Versorgungsplanung  weiterentwickeln (die Entwicklung ist ja schon im Gange). Nichts liegt näher als hier Qualitätsindikatoren mit area-Perspektive einfließen zu lassen, nur – wir müssen diese erst einmal entwickeln. Hier ist Eile geboten, denn die Integration der Versorgung in der Fläche ist ja schon im Gange, und das deutsche Gesundheitssystem sollte sich nicht unversehens in der Situation wiederfinden, dass regionale Versorgungsverbünde eine Versorgung anbieten, die zu Unzufriedenheit führt und vielleicht durch mangelnde Information über die Qualität des Angebots gekennzeichnet ist. Der erste Schritt in diese Richtung ist eine offene Diskussion über den Zugang zur Versorgung: wie weit soll die nächste unfallchirurgische Versorgung entfernt sein, und wie ist sie erreichbar? Der Zugang zur Versorgung bildet einen Spannungsbogen mit der Zentralisierung der Versorgung, die die Qualitätsvorteile höherer Leistungsmengen realisiert (Mindestmengen), bislang in Deutschland beinahe sträflich vernachlässigt. Hier kann man sich immer wieder nicht des Eindrucks erwehren, dass die Anbieter-orientierte Diskussion noch immer die Patientenorientierung dominiert. Weitere Aspekte von “Qualität 2030”: Das Gutachten steht hier zum Download bereit (weiterhin die Presseerklärung, Beilage Tagesspiegel am Vortag, Link zur entsprechenden MWV-Webseite).  
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Prof. Dr. med. Matthias Schrappe
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Qualitätsmessung Rahmenkonzept Instrumente zur Qualitätsverbesserung Schwerpunkt Pay for Performance Dreidimensionaler Orientierungsrahmen Anfang: Qualität 2030 Empfehlungen Schematische Darstellung des trade off zwischen Entfernung/Zugang zur Versorgung (schwarz) und Zentralisierung (z.B. durch Mindestmengen; grün). Zentralisierungeffekte sind nur bis zu einer gewissen Größe sinnvoll. Die Balance zwischen Zugang und Zentralisierung muss je nach Region und Erkrankungsgruppe differenziert definiert werden.
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