Versorgungsforschung als Methode der Problemdefinition und Evaluation
Versorgungsforschung stellt neben der Grundlagen-, der translationalen und der klinisch-evaluativen Forschung die vierte
Stufe des Innovationstransfers in der Gesundheitsversorgung dar. Gleichzeitig bildet die Versorgungsforschung in vielen
Fällen die erste Stufe einer Problemdefinition, indem sie in der Versorgung relevante Fragestellungen definiert, beschreibt,
operationalisierbar macht, untersucht und eventuell für die anderen Forschungsebenen aufbereitet. Die
Versorgungsforschung ist durch Ergebnisorientierung, Multidisziplinarität und –professionalität sowie durch
Patientenorientierung charakterisiert. Ihr Gegenstand besteht in der Beschreibung und Analyse der Kontextfaktoren der
Gesundheitsleistung, die zusammen die gesamte Versorgungsleistung ergeben. In Ergänzung der Evidence-Based
Medicine nimmt sie dabei auf die relative Wirksamkeit von Methoden Bezug (effectiveness). Die Nutzenbestandteile dieser
Behandlungsmethoden (Effizienz, Patient-Reported Outcomes wie Lebensqualität etc.) werden unter dem Begriff der
Angemessenheit von Versorgungsleistungen zusammengefasst. In der Allokationsdebatte ergänzt die Angemessenheit von
Leistungen die absolute Wirksamkeit (efficacy) in der Beschreibung des Nutzens einer therapeutischen Maßnahme und
bildet – soweit wissenschaftlich abgesichert – eine Beschreibung des objektiven Bedarfs. Versorgungsforschung stellt also
einen essentiellen Teil der Wissensbasis dar, die für Allokationsentscheidungen herangezogen wird. Studien im Bereich der
Versorgungsforschung weisen naturgemäß eine große Variabilität ihrer Ergebnisse und eine größere Bandbreite der
verwendeten Methoden auf und reflektieren damit die Komplexität des Forschungsgegenstandes. Analog zur Aufgabe der
Evidence-based Medicine in der Überprüfung der Validität von Studien im Bereich der klinisch-evaluativen Forschung (z.B.
randomisierte Studien) und deren Synthese in systematischen Reviews müssen Ergebnisse der Versorgungsforschung
ebenfalls hinsichtlich ihrer Validität bewertet und durch Synthese der unterschiedlichen Studien zugänglich gemacht
werden. Teilweise wird diese Aufgabe von Health Technology Assessment (HTA) übernommen, das Konzept der Evidence-
based Health Care steht hier aber im Mittelpunkt. Die Versorgungsforschung verspricht, die Komplexität des
Forschungsgegenstandes handhabbar zu machen, allerdings steht für die nächste Zeit die Debatte an, wie sich die
Versorgungsforschung im Spannungsfeld zwischen klinisch-evaluativer Forschung und den Sozialwissenschaften
hinsichtlich der Beschreibbarkeit von Einzelfaktoren und der Annahme linearer Zusammenhänge positioniert. Abschließend
wird auf die politische Erwartungshaltung eingegangen und zur Problematik der Datensicherheit Stellung genommen.
© Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Venloer Str. 30, D-50672 Köln
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Schrappe, M.: Versorgungsforschung als Methode der
Problemdefinition und Evaluation, Version 1.0.0.
M. Schrappe; Versorgungs-
forschung als Methode der
Problemdefinition und Evaluation